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Seehofer will’s nicht wissen
Innenminister hält an Ablehnung einer Studie zu Rassismus in der Polizei fest
Vor einigen Wochen hatte das Bundesinnenministerium angekündigt, man werde eine Studie zu rassistischem Verhalten in den Reihen der Polizei in Auftrag geben. Am Montag gab Ministeriumssprecher Steve Alter offiziell bekannt, dass es die Untersuchung bis auf weiteres doch nicht geben wird. Ressortchef Horst Seehofer (CSU) bekräftigte das am Dienstag im ARD-Morgenmagazin. Eine Studie zum sogenannten Racial Profiling, also von Personenkontrollen allein aufgrund der Hautfarbe oder anderer äußerlicher Merkmale, werde er »jetzt nicht« in Auftrag geben. Zugleich beklagte der Minister, es gebe »seit Wochen eine ständige Kritik an der deutschen Polizei, zum Teil auch Verunglimpfung«. Zugleich sei sein Ministerium »massiv dabei, Rassismus generell zu bekämpfen - nicht nur bei der Polizei, sondern auch im ganzen öffentlichen Dienst«. Daher werde erst einmal nur das gemacht, was »vereinbart ist zwischen Bund und Ländern, auch innerhalb der Bundesregierung«.
Weil es zahlreiche Hinweise darauf gibt, dass deutsche Polizeibeamte Personen mit nicht mitteleuropäischem Aussehen häufiger verdachtsunabhängig kontrollieren, hatte die Europäische Kommission gegen Rassismus und Intoleranz der Bundesregierung im März empfohlen, eine Studie zum Thema zu veranlassen. Ministeriumssprecher Alter erklärte jetzt, seine frühere Ankündigung der Untersuchung sei »unpräzise« gewesen. Auch er verwies auf das mit den Innenministern der Länder 2019 abgestimmte Maßnahmenpaket, zu dem auch die personelle Stärkung des Verfassungsschutzes gehöre.
Alter betonte, es gebe in der Bundesrepublik zwar Einzelfälle von Racial Profiling. Das Ministerium teile aber nicht die Ansicht, dass hier ein strukturelles Problem bestehen könnte. In der Bundespolizei werde dergleichen »nicht geduldet«. Auch Seehofer erklärte am Dienstag: »Wir haben kein strukturelles Problem.« Und betonte, seit seinem Amtsantritt als Innenminister 2018 sei gegen Antisemitismus und Extremismus »mehr geschehen als in all den Jahren vorher«.
Während sowohl Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) und die Antidiskriminierungsstelle des Bundes die Absage der Studie deutlich kritisierten, stellte sich die CDU hinter Seehofer. So behauptete deren Generalsekretär Paul Ziemiak, es gebe überhaupt kein Racial Profiling bei der deutschen Polizei. Vielmehr gebe es ein Problem mit Gewalt gegen Polizisten.
Der Vizevorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei (CDU), meinte gar, durch die »Schaffung eines polizeifeindlichen Klimas« werde »zunehmende Gewalt gegen Polizisten und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte geradezu befördert«. Der »Rheinischen Post« (Mittwochausgabe) sagte Frei, das Verbot von Racial Profiling werde jungen Polizisten bereits im Rahmen ihrer »langjährigen und fundierten Ausbildung« vermittelt. In den letzten acht Jahren habe es unter 49 000 Bundespolizisten gerade einmal 25 rassistische Verdachtsfälle gegeben.
Auch die Gewerkschaft der Polizei findet eine Studie unnötig. Es sei richtig, dass sich Seehofer vor die Beamten stelle, heißt es in einer Erklärung. GdP-Vizechef Jörg Radek sagte der Deutschen Presse-Agentur: »Wenn diese Studie das Ziel hat, Rassismus in der Polizei zu untersuchen, dann lehne ich das ab.« Es könne aber nützlich sein zu erforschen, »was das mit Kollegen macht, wenn sie über Jahre in einem bestimmten Kiez eingesetzt sind«. Das könne helfen, die Entstehung von rassistischen Denkmustern bei einzelnen Beamten zu verhindern.
Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) kritisierte Seehofers Nein zur Racial-Profiling-Studie dagegen deutlich. Der Minister erweise den Sicherheitsbehörden einen »Bärendienst«, sagte der Vorsitzende Sebastian Fiedler am Dienstag im Deutschlandfunk. Die Logik hinter der Absage erinnere ihn »an ein Gespräch mit einem Freund, der Angst hat, zur Vorsorgeuntersuchung zu gehen«, weil »etwas Schlimmes rauskommen könnte«.
Auch Frank Tempel, Kriminalbeamter und Mitglied des Bundesvorstandes der Linkspartei, ist überzeugt: »Seehofer schadet der Polizei und insbesondere der Bundespolizei mit seiner Absage an die Studie.« Damit bestätige er den Verdacht von Polizeikritikern, die daraus mit Recht folgerten, es gebe etwas zu verbergen, sagte Tempel am Dienstag im Gespräch mit »nd«. »Das fördert einen Generalverdacht gegen die Polizei geradezu«, warnt Tempel. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete ist überzeugt, dass die Studie ein differenziertes Bild ergeben würde und helfen könnte, aus persönlichen Erfahrungen resultierende »selektive Wahrnehmungen bei Kollegen« aufzuarbeiten und so langfristig die Entstehung rassistischer Denkmuster zu bekämpfen.
Kritik an Seehofers Entscheidung kommt auch von Rafael Behr, Professor für Polizeiwissenschaften an der Akademie der Polizei Hamburg. »Wenn es keine Daten über Racial Profiling gibt, dann frage ich mich, woher weiß er denn, dass es Einzelfälle sind«, sagte der am Dienstag im WDR. Seehofer habe auf höchster Ebene verhindert, dass überhaupt Forschung zum Thema stattfinde. Eine Untersuchung wäre schon deshalb angezeigt gewesen, »um zu zeigen, dass die Polizei sich bemüht, hier Bewusstsein zu schaffen«, so Behr, der früher selbst Polizeibeamter in Hessen war. Mögliche Lösungen seien beispielsweise ein unabhängiger Polizeibeauftragter oder ein anonymes Hinweissystem in der Polizei.
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