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Ein Sprachrohr weniger
Motorräder und Männerbünde: Die Zeitschrift »Bikers News« wurde eingestellt
Biker verbindet das gemeinsame Motorradfahren, ein Gefühl von Freiheit, das Schrauben und Verbessern der Motorräder und eine Kleidung, mit der sie sich von dem Rest der Gesellschaft abgrenzen. So wollte die Redaktion der »Bikers News« das Lebensgefühl von Bikern verkaufen. Die seit 1981 monatlich erschienene Zeitschrift hat die Szene mit Veranstaltungstipps und Berichten, Club-Nachrichten, Interviews mit Szenegrößen, Infos zu neuesten Motorradmodellen und technischen Tipps versorgt. »Aktuell, unparteiisch und unterhaltsam« wurde das Magazin vom Huber Verlag angepriesen. Es gab aber nicht nur Artikel, die die typischen Motorradfans angesprochen haben. Die Berichterstattung war auch von wohlwollenden Beiträgen über Clubs geprägt, die immer wieder von Strafverfolgungsbehörden als kriminell bezeichnet werden und in manchen Bundesländern von den Innenministerien verboten wurden.
Ende Juni teilte die Redaktion mit, »Bikers News« werde zum 1. Juli aus finanziellen Gründen eingestellt. Früher hatte die Zeitschrift laut Verlag eine verkaufe Auflage von 47 500 Exemplaren und erreichte 140 000 Leser*innen. Die Berichte über Motorradclubs, die gemeinsam fahren und an ihren Maschinen rumschrauben, nahmen zuletzt aber eher weniger Raum ein. Stattdessen wurde viel über jene Vereinigungen berichtet, die in der Öffentlichkeit durch den Kampf um Gebiete bekannt sind und die Schlagzeilen machen mit Schutzgelderpressung, Drogen- und Waffenverkauf sowie mit Menschenhandel.
Auch wurde zunehmend über die angeblich pauschale Kriminalisierung von »Rockern« geschrieben. Dem letzten Chefredakteur, Tilmann Ziegenhain, war die Angelegenheit so wichtig, dass er 2019 auf der überregionalen Demonstration »Freedom is our Religion« in Berlin eine Rede gehalten hat. Zur Demonstration hatten die Hells Angels aufgerufen, um gegen das verschärfte Vereinsgesetz und gegen ein Trageverbot von Abzeichen der Hells Angels, Bandidos und des Gremium MC zu protestieren. Tilmann sagte in seiner Rede: »Die Wahrheit ist: Wie die Behörden in Deutschland mit der Biker- und Rockerszene umgehen, ist ein Skandal.« Er sei außerdem fest davon überzeugt, dass es viele Polizisten gebe, die lieber Kriminelle, statt »Rocker« jagen würden. Auf einer Demonstration gegen pauschale Verurteilungen von sogenannten Rockern zu sprechen, auf der auch der Hells Angel Frank Hanebuth eine Rede hielt, ist äußert paradox. Der in Spanien wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung, Förderung illegaler Prostitution, Drogenhandels und Geldwäsche angeklagte Hanebuth hat in Deutschland zuletzt Ende Juni wegen gefährlicher Körperverletzung einen Strafbefehl erhalten, der noch nicht rechtskräftig ist.
Das ständige Negieren möglicherweise organisierter krimineller Machenschaften zog sich wie ein roter Faden durch »Bikers News«. In dem Magazin haben zudem Menschen eine Plattform bekommen, die als extreme Rechte gelten. Beispielsweise gab es im Jahr 2014 ein großes Interview mit Rainer Schmidt, einem Pressesprecher der Bekleidungsmarke Thor Steinar. Die Marke gilt bei vielen zivilgesellschaftlichen Organisationen als extrem rechts, da Inhaber und Mitarbeiter der zugehörigen Firma Teil der Neonaziszene seien. Manche Verfassungsschutzbehörden bezeichnen sie als identitätsstiftendes Erkennungszeichen unter Rechtsextremisten, im Landtag Mecklenburg-Vorpommern ist das Tragen der Marke verboten. In »Bikers News« konnte sich Thor Steinar als unpolitisch präsentieren und solche Vorwürfe zurückweisen, wobei Sätze fielen wie: »Keine Geschäfte mit Nazis zu machen, klingt einer alten Parole ähnlich und ist engstirnig.«
Auch der Motorradclub Legion Bremen, bei dem das Innenministerium Niedersachsen Freundschaften zwischen Mitgliedern und der extrem rechten Szene feststellte und bei dem eine Anfrage an die Bremer Landesregierung ergeben hatte, einzelne Legion-Bremen-Mitglieder seien als »rechtsmotivierte Straftäter« bekannt, konnte sich in einem Interview in der Zeitschrift als unpolitisch verkaufen.
Noch weiter zurück in der Geschichte der Zeitschrift, im Jahr 2007, wurde ein Interview mit dem »Antifaschistischen Infoblatt« (AIB) »über vermeintliche und echte nazistische Unterwanderungen in der Biker-Szene« veröffentlicht. Es ging um eine Recherche des AIB zu Neonazis im Gremium MC sowie zu Neonazikonzerten in einem Clubhaus des Bandidos MC. Auch in diesem Interview argumentierte »Bikers News«, die sogenannten Rockerclubs seien unpolitisch, und es gäbe dort keine aktiven extremen Rechten.
Die Zeitschrift hatte zwar sogar mal »Biker gegen rechts«-Patches verkauft, diese landeten aber mangels Nachfrage im Ausverkauf. 2012 gab es in der Zeitschrift eine Annonce zur Gründung eines rechten Gefängnisnetzwerkes. Unter anderem sollte laut dpa, die sich auf das hessische Landeskriminalamt berufen hatte, auch Beate Zschäpe vom NSU damit erreicht werden. Die Annonce enthielt neben Tarncodes der Neonaziszene auch den Geburtstag Hitlers als Gründungsdatum.
Die Redaktion der »Bikers News« zeigte sich nach dem Bekanntwerden empört und distanzierte sich. In einem Statement schrieb sie: »Wir sind mit den Codes der Rockerszene vertraut, weniger aber mit denen der Nazis.« Hier zeigte sich, wie gefährlich das Verharmlosen der Redaktion der extrem rechten Umtriebe in »ihrer Szene« ist. Wobei es nicht verwundern sollte, dass hierarchisch organisierte, gewalttätige Männerbünde für extreme Rechte interessant sind. Die Pleite der »Bikers News« ist eine positive Nachricht: Das Aus einer Zeitschrift die auch Gruppen mit offensichtlicher Affinität zur Schwerstkriminalität ein Forum bietet, ist kein Verlust für die Pressevielfalt.
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