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Abwehr aus dem Darm
Biotechnologen wollen die Honigbienen mit gentechnisch veränderten Bakterien im Verdauungstrakt vor Krankheiten und Pestiziden schützen.
Wenn von Bakterien die Rede ist, sind meist Krankheitserreger gemeint. Doch viele der Mikroben sind für höhere Lebensformen unentbehrlich. Beispielsweise im Darm. Das gilt nicht nur für Säugetiere. Auch bei Honigbienen oder Hummeln spielen Darmbakterien eine wichtige Rolle für Vitalität und Immunabwehr.
Das wollen sich Wissenschaftler der Universität von Texas in Austin für die Krankheitsabwehr zunutze machen. Denn den Honigbienen in den USA geht es nicht gut. Für das Bienensterben dort werden neben der Varroa-Milbe und den von ihnen übertragenen Viren auch Pestizide verantwortlich gemacht. Die Idee der Wissenschaftler um Sean P. Leonard: Sie veränderten das Erbgut von Bakterien der Art Snodgrassella alvi so, dass diese im Darm der Bienen zusätzlich Ribonukleinsäure-Moleküle (dsRNA) produzieren, die wichtige Gene der Varroa-Milbe und des Krüppelflügelvirus stilllegen. Auch sollen auf diesem Wege Gene der Bienen dahingehend verändert werden, dass sich deren Effektivität beim Bestäuben erhöht. Bienen, die die gentechnisch veränderte Bakterien über die Nahrung aufgenommen hatten, überlebten auch eine im Labor erzeugte Virusinfektion deutlich länger, schreiben die Biologen im Fachblatt »Science« (Bd. 367, S. 573).
Paratransgenese nennen Fachleute den Vorgang, bei dem die Zielorganismen - in diesem Fall Bienen - indirekt über Mikroorganismen verändert werden. Die von den Bakterien produzierten Moleküle können nicht nur bei Bienen, sondern auch bei Hummeln in die Genregulation eingreifen, heißt es in der Patentschrift. Gegenstand der Patentanmeldung sind neben den genveränderten Bakterien auch alle Insekten, in deren Darm sie zu finden sind. Dass die Wissenschaftler umgehend ein Patent (US 2019/0015528 A1) auf ihr Verfahren anmeldeten, zeigt, wie hoch die Erwartungen an eine gewinnbringende Vermarktung sind.
Viele Fragen bleiben offen: Lassen sich die Virus- und Varroa-Infektionen tatsächlich mit der Methode erfolgreich bekämpfen? Ist sie auf andere Bienenkrankheiten anwendbar?
Weil Bakterien außerordentlich schnell mutieren, sei nicht auszuschließen, dass sie ihre Wirkungen auf andere Tiere und den Menschen übertragen, warnt Randolf Menzel von der Freien Universität Berlin. Der Bienenexperte hält die Anwendung der Methode außerhalb des Labors für unverantwortlich.
Überdies müsse in Laborexperimenten nachgewiesen werden, dass das Verfahren auch in großen Bienenvölkern mit bis zu 50 000 erwachsenen Honigbienen funktioniert und ein horizontaler Gentransfer ausgeschlossen werden kann, fordert der Zoologe Robert Paxton, Leiter der Arbeitsgruppe Allgemeine Zoologie am Institut für Biologie der Universität Halle-Wittenberg. Auch er warnt davor, die »fremden Gene« in die Umwelt freizusetzen, bevor geklärt ist, ob sie auf Nichtzielorganismen überspringen können.
Was im Labor unter kontrollierten Wunschbedingungen klappt, ist evolutionär noch lange nicht stabil, erklärte der Gene-Drive-Entwickler Kevin Esvelt 2016 in einem Interview. »Normalerweise ist der Bauplan der Natur besser, weshalb er sich in einer natürlichen Umgebung durchsetzt«, so der Wissenschaftler.
Die oben genannte Studie zeigt, wie leicht eine indirekte gentechnische Veränderung von Bienen, aber auch wildlebenden Insektenarten über deren Darmflora möglich ist. Werden lebensnotwendige Mikroorganismen wie Darmbakterien verändert, können diese auch die Eigenschaften ihrer Wirte verändern.
Bei einer Freisetzung veränderter Mikroben sei nicht auszuschließen, dass sich die Bakterien auch bei anderen Bienenvölkern oder entfernten Verwandten wie Hummeln einnisten, gibt Christoph Then vom Verein Testbiotech zu bedenken. Die Ausbreitung der Organismen und ihrer Gene könne nicht wirksam begrenzt werden, zumal die veränderten Gene auch auf andere Bakterienarten überspringen können. Then sieht darin unkalkulierbare Risiken für die Umwelt.
Die südkoreanischen Wissenschaftler Jaeho Lee und Si Hyeock Lee von der Seoul National University versuchen, ohne den Umweg über Darmbakterien Honigbienen gentechnisch resistent gegen ein Insektengift zu machen. Ihr Geneditierverfahren stellten sie 2019 im Fachjournal »Apidologie« (Bd. 50, S. 804) vor. Der Haken bei solchen Versuchen, Honigbienen gentechnisch »pestizidresistent« zu machen: Die Mehrzahl dieser Gifte haben auch negative Auswirkungen auf Wildbienen und andere Insekten, warnen Bienenexperten. Von rund 560 Wildbienenarten in Deutschland ist die Hälfte stark bedroht. Resistent gemachte Honigbienen könnten das Artensterben ungewollt beschleunigen.
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