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Die Wut im Bauch
Die feministische Punkband Deutsche Laichen veröffentlicht drei neue Songs: über das Versagen der linken Szene nach Hanau
Wer sticht den Spargel? Wer wischt hinterher? Wer wird von der Polizei kontrolliert? Wer wird erschossen, wer ermordet? Wer hat die Schnauze voll? Ein Jahr nach ihrem Debütalbum rotzt die queerfeministische Band Deutsche Laichen den Zuständen in Deutschland nicht nur drei neue Tracks ins Gesicht. Mit ihrer EP «Team Scheiße» läuten die fünf Punks aus Göttingen auch die vierte Welle des Feminismus ein. Denn eines ist klar: In einem Post-Hanau-Deutschland - und das gilt auch für eine Gesellschaft mitten in der Gesundheitskrise - kann über Rassismen nicht mehr geschwiegen werden. Also Rassist*innen - fresst Scheiße? Schön wär‘s, die Sache ist nämlich viel komplizierter.
Hatten 2019 auf dem gleichnamigen Debüt schon Macker, Mansplainer und gewalttätige Beamt*innen in Songs wie «Emanzenlesbenschlampe» und «Bullen» von Deutsche Laichen künstlerisch exzellent auf die Schnauze bekommen, wirkt die Band ein Jahr später ernüchtert: Darüber, dass nach den rechtsextremen Anschlägen von Halle und Hanau von Szenelinken allzu oft nur Demoaufrufe geteilt wurden; darüber, dass nach den Morden an Ahmaud Arbery, Breonna Taylor und George Floyd allzu oft nur der Hashtag blacklivesmatter inhaltsleer in Social-Media-Profile geschrieben wurde. Solidaritätsbekundungen blieben meist reine Selbstdarstellung.
In den neuen Songs von Deutsche Laichen geht es deshalb um Rassismus - innerhalb des eigenen Umfelds, der DIY-Musikszene und der linken Blase.
Wenn Sängerin Asche im Lied «Szeneputzen» wütend brüllt «All die Scheiße, die bei uns passiert/Habt ihr es immer noch nicht kapiert/täglich wird diskriminiert/die Szene hat nicht reagiert» und die anderen im Chor mitgrölen «Die Szene hat nicht reagiert»/Warum habt ihr nicht reagiert?«, dann dürfte bei den meisten halbwegs empathischen Zuhörer*innen wohl die Gänsehaut über den Oberarm kriechen.
Doch die EP will mehr als nur das und ist auch ein Sich-Auskotzen darüber, wie viele von rassistischer Diskriminierung Betroffene nach Hanau mit ihrem Schmerz allein gelassen wurden. Drei Songs, die zeigen, dass der 19. Februar ein Einschnitt, eine Wende war. Die Zäsur. Der Punkt, von dem an es nicht mehr so weitergehen konnte wie bisher. Keine rassistische Scheiße mehr geschluckt werden konnte. Sich selbst organisiert wurde, weil auf die Zivilgesellschaft, die parlamentarischen Vertretungen, die Justiz und die weißen Antifastrukturen nicht gezählt werden konnte. Das Minialbum von Deutsche Laichen ist eine direkte Aktion gegen dieses Versagen. Es erscheint ohne Label - die Einnahmen werden an Initiativen der migrantischen Selbstorganisation gespendet.
Wer die Tracks hört, soll sich unweigerlich auch das fragen: Was mache ich dafür, dass Rassismus aus dem Alltag verschwindet? Für wen setze ich meine eigenen Privilegien ein? Und was mache ich, wenn bei einer Polizeikontrolle wieder nur Schwarze Personen durchsucht werden? »Ich mach mein Maul auf! Ich mach mein Maul auf!«, antworten die Laichen im Song »Deutschland ein Albtraum« - und solidarisieren sich damit mit Hengameh Yaghoobifarah, Kolumnist*in und Herausgeber*in des Buches »Eure Heimat ist unser Albtraum«, dem*der vom Heimatminister Repressalien angedroht wurden, nachdem er*sie rechte Polizeinetzwerke satirisch kritisiert hatte - wie auch mit den vom NSU 2.0 Bedrohten.
Es sind diese düsteren Zeiten, die erdrückende Stimmung des Backlashs, die auch die Bassläufe im Song »Resilience« perfekt einfangen. Das Schlagzeug poltert sich wie durch dunkle Seitenstraßen. Aber auch hier wird eine rote Linie gezogen, die im Zwielicht des politischen Rechtsrucks deutlich zu erkennen ist: Bis hierhin und nicht weiter.
In ihrer Gesamtheit sind die neuen Tracks auch eine Kampfansage an weißen Party- und Wohlfühlfeminismus. Von jeder weißen Person, die wirklich etwas verändern, die strukturellem Rassismus und anderen Herrschaftsstrukturen tatsächlich etwas entgegensetzen will, fordern Deutsche Laichen, bei sich selbst anzufangen: »Denn die Scheiße liegt direkt vor deiner Haustür.«
Sechs Monate nach dem rassistischen Anschlag in Hanau ist die EP damit ein starkes und zugleich klares Zeichen, das die Szene dringend gebraucht hat und für die sie der Band dankbar sein sollte: Im »Team Scheiße« sind alle zusammen und jede*r muss ackern, damit sich das ändert. Konkret kann das bedeuten BIPoC im eigenen Umfeld zu unterstützen, Hintergrundarbeit zu leisten und Kritik ernst zu nehmen. Denn jede Person, die menschenverachtendes Verhalten nicht sofort ändert oder aufhört, es zu tolerieren, nimmt künftige Morde in Kauf.
Deutsche Laichen: »Team Scheiße« (Selbstverlag)
https://deutschelaichen.bandcamp.com/
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