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Katamarane, Gene und Kartoffeln
Neue Daten machen frühe Kontakte zwischen Polynesien und Südamerika wahrscheinlich
Blendend weiße Sandstrände, sich sanft in der Meeresbriese wiegende Palmen, kristallklares Wasser und Hula tanzende hübsche Frauen in Baströcken sind das Klischeebild der Südseeinseln. Die Realität im vom Klimawandel betroffenen Polynesien sieht natürlich anders aus.
Doch wie sind lange vor den Urlaubsfliegern überhaupt schon Menschen auf die entlegenen Südseeinseln gelangt? Kamen die Vorfahren der Polynesier aus dem Westen, sprich aus Asien, oder aber aus Südamerika im Osten? Einer der Begründer der experimentellen Archäologie, der norwegische Abenteurer Thor Heyerdahl, bewies schon 1947 mit der legendären Kon-Tiki-Expedition, dass es den präkolumbischen Indianern Südamerikas technisch möglich war, Polynesien zu besiedeln. Inzwischen herrscht jedoch in der Wissenschaft weitgehend Konsens, dass die Ahnen der Polynesier von Asien zu den pazifischen Inseln gesegelt sind. Obwohl die Polynesier und ihre Vorfahren weder Kompass noch Sextant besaßen, waren sie ausgezeichnete Seefahrer, konnten mit ihren hochseetauglichen Doppelrumpfbooten - den Vorläufern unserer heutigen Katamarane - selbst größte Entfernungen im Pazifischen Ozean zurücklegen.
Trotzdem steht weiter die Frage im Raum, ob es nicht doch auch Kontakte mit Südamerikanern gegeben hat. Die Antwort von Alexander Ioannidis lautet: Ja. Der Computerbiologe von der Stanford-Universität in Kalifornien hat, zusammen mit einem internationalen Team, genetische Daten von 800 Ureinwohnern von Französisch-Polynesien sowie von indigenen Küstenbewohnern Südamerikas verglichen. »Wir haben auf den polynesischen Inseln Segmente identischer Vorfahren indigener Amerikaner gefunden«, sagt Ioannidis. Der Co-Autor der im Wissenschaftsjournal »Nature« veröffentlichten Studie, Andrés Moreno-Estrada vom National Laboratory of Genomics for Biodiversity in Mexiko, ergänzt: »Durch diese Forschung wollten wir die Wurzeln jener Ahnen rekonstruieren, die die Vielfalt dieser Populationen geprägt haben.«
Anhand der Genschnipsel sind die Forscher sicher, dass die Begegnung zwischen Indios und Polynesiern um 1200 unserer Zeitrechnung stattfand. Ioannidis ist zudem davon überzeugt, dass es sich um ein einmaliges Ereignis gehandelt hat. Aus den Genen kann aber nicht abgeleitet werden, wer wen wo getroffen hat. Sind die polynesischen Seefahrer mit ihren extrem seetüchtigen Katamaranen bis an die viele tausend Kilometer entfernte Küste Südamerikas gelangt, oder waren die Indios auf Südseeurlaub in Polynesien? »Ich halte es aus einem einfachen Grund für wahrscheinlicher, dass die Polynesier nach Amerika und zurück segelten. Wir wissen, dass die Polynesier in dieser Zeit ähnlich lange Entdeckungsreisen unternahmen und die entlegenste der polynesischen Inseln besiedelten. Wenn die polynesischen Reisenden es so weit nach Osten geschafft haben, warum nicht auch an die Küste Südamerikas?«
»Es wird angenommen, dass Polynesier häufig bei ihren Entdeckungsreisen gegen den Wind segelten, sodass sie, wenn nach Tausenden von Kilometern über den offenen Ozean keine neue Insel gefunden wurde, leicht mit dem Wind nach Hause zurückkehren konnten«, sagt der US-Forscher. »Vom Tuamotus-Archipel und den Marquesas-Inseln in Französisch-Polynesien aus, wo wir die Signaturen der Genetik der amerikanischen Ureinwohner gefunden haben, hätte eine solche Explorationsstrategie die Polynesier an die Küste Ecuadors oder Kolumbiens gebracht. Von da stammte die DNA der amerikanischen Ureinwohner, die wir in Polynesien fanden.«
So ganz ausschließen will Ioannidis aber nicht, dass Amerikaner Südseeinseln erreicht haben. Es habe entlang der Küste einen maritimen Handelsweg zwischen dem heutigen Kolumbien und Ecuador mit Mittelamerika gegeben. Wenn Handelsschiffe durch Strömungen und Wind vom Kurs abgekommen seien, hätten sie durchaus irgendwann die Tuamotus und Marquesas erreichen können, wo eben die indigene amerikanische Gen-Signatur gefunden worden sei.
Das einzige archäologische Indiz für einen Kontakt zwischen Polynesiern und Indios liefert ausgerechnet die Kartoffel, genauer gesagt, die Süßkartoffel, die in beiden Kulturen zum Standardnahrungsmittel gehört. »Die Süßkartoffel stammt aus Amerika, kommt aber auch auf Inseln vor, die Tausende von Kilometern entfernt sind«, sagt Ioannidis. »Darüber hinaus scheint das Wort ›Kumara‹ für Süßkartoffel in den polynesischen Sprachen mit dem Wort verwandt zu sein, das in den indigenen amerikanischen Sprachen in den Anden verwendet wird.« Diese kulturelle Überlappung sehen auch andere Historiker und Archäologen als schlüssigen Hinweis, der die Vermischung der beiden Kulturen nicht nur als möglich, sondern als wahrscheinlich erscheinen lässt.
Auch wenn sich also die Umstände der Kontakte zwischen den Indios nicht aus den Genen ablesen lässt, so ist wissenschaftlich eines unumstritten: die Polynesier waren geniale Seefahrer, die in relativer kurzer Zeit von Neuseeland bis Hawaii die Inseln des riesigen Südpazifik besiedelt hatten. Nur hat die westliche Wissenschaft diese Geschichte, die navigatorischen Geheimnisse und die Kultur der Polynesier lange Zeit ignoriert.
Ioannidis betont: »Wenn die Geschichte für diesen Zeitraum erzählt wird, handelt es sich fast immer um die der europäischen Eroberung und nicht um die Geschichten der anderen. Ich denke, diese Arbeit hilft dabei, diese unerzählten Geschichten zu erzählen. Die Tatsache, dass sie durch Genetik ans Licht gebracht werden können, ist für mich sehr aufregend.«
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