- Politik
- Friedensabkommen
Israels diplomatische Offensive
Die Golfmonarchien Bahrain und die Vereinigten Arabischen Emirate schließen Frieden mit Israel
Noch am frühen Dienstagmorgen beknieten Vertreter des Weißen Hauses und der israelischen Regierung die Medien: Man möge doch bitteschön live senden, in voller Länge, immerhin sei dieses Ereignis »historisch«. Am Abend haben dann während einer Zeremonie im Weißen Haus die Vertreter der Regierungen Bahrains und der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu Verträge über die Aufnahme von Beziehungen zu Israel unterzeichnet.
Doch trotz der sehr intensiven Bemühungen in Washington und Jerusalem, den Wind des Wandels aufzuwirbeln: Die öffentliche Euphorie, wie sie in Israel Anfang der 1990er Jahre aufkam, nachdem bekannt wurde, dass Israel und Jordanien erfolgreich verhandelt hatten, blieb dieses Mal aus. »Bahrain und die Emirate sind eben nicht Jordanien und Ägypten«, kommentierte der israelische Militärrundfunk am Montag: »Wir sind weit voneinander entfernt. Die einzige Bedeutung für uns ist, wie lange ein Flug nach Indien dauert und was er kostet.«
Denn dies wird wohl die spürbarste Auswirkung des nach der biblischen Figur benannten »Abraham-Deals« sein: Indien ist bei jungen Israelis ein beliebtes Reiseziel, und künftig sollen sie bequem und günstig in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) umsteigen können, statt Umwege beispielsweise über Istanbul nehmen zu müssen. Schon vor einigen Wochen hatte Saudi-Arabien den Luftraum für Flüge zwischen Israel und den VAE geöffnet - ein erstes Anzeichen dafür, dass sich auch die Beziehungen zwischen den beiden Ländern normalisieren. Auch wenn man in Riad noch darauf besteht, dass offizielle Beziehungen erst dann möglich seien, wenn die Palästinenserfrage geklärt ist.
Doch die kleinen Nachbarn am Golf hielt man nicht auf, und das hat die palästinensische Regierung aufgeschreckt. »Verrat am palästinensischen Volk« sei das, sagte der palästinensische Regierungschef Mohammed Schtajjeh: »Für mich ist es eindeutig, dass Saudi-Arabien und die Golfstaaten uns zu Zugeständnissen zwingen wollen.« Denn aus palästinensischer Sicht war das Hauptdruckmittel bislang vor allem der Israel-Boykott der arabischsprachigen Welt. Aber schon seit einigen Jahren wurde deutlich, dass die Bereitschaft nachgelassen hat, diesen Druck auszuüben. Bei den Treffen der Arabischen Liga landete die Palästina-Thematik von Jahr zu Jahr immer weiter hinten auf der Tagesordnung, während Saudi-Arabien, die VAE, Bahrain, Oman und Katar schon seit langem semi-offizielle Beziehungen zu Israel pflegten: Man traf sich, sprach miteinander, schon lange bevor nun Bahrain und die VAE kurz vor der US-Wahl und einer möglichen Neuwahl in Israel das Ganze offiziell machten.
Denn die Iran-Frage und wirtschaftliche Beziehungen wurden auf der arabischen Halbinsel wichtiger als die Palästinenser, zumal man auch des alternden Präsidenten Mahmud Abbas und des jahrelangen Streits zwischen Abbas’ Fatah-Fraktion und der im Gazastreifen regierenden Hamas überdrüssig ist. Die Regierung der VAE betont indes, man habe ja auch einiges für die Palästinenser erreicht, immerhin habe sich Netanjahu zum Verzicht auf die Annexion von Teilen des Westjordanlandes bereit erklärt.
Es war vor allem der Druck aus dem Weißen Haus, der nun die beiden Golfstaaten zur Vertragsunterzeichnung bewegte. Nachdem US-Präsident Donald Trump Anfang des Jahres seinen als »Deal des Jahrhunderts« bezeichneten Friedensplan vorgelegt hatte, musste nun kurz vor der Wahl irgendetwas daraus folgen.
Was man im Weißen Haus nicht sagt, ist, dass man auch in Saudi-Arabien, Oman und Kuwait vorstellig geworden war, wo dem US-Druck standgehalten wurde. Denn auch wenn Netanjahu bereits offiziell Oman besuchte, man auch in der Politik Kuwaits im Grunde nichts gegen Israel hat, befürchtet man dort, zwischen die Fronten zu geraten. Viele dieser Länder haben einen großen schiitischen Bevölkerungsanteil; man hat Angst vor Unruhen und daraus resultierender politischer Instabilität, sei es wegen der ungeklärten Palästina-Frage oder wegen des Iran-Konflikts.
Zudem zeigten sich schon vor Vertragsunterzeichnung erste Dissonanzen zwischen Israel und den VAE. Die US-Regierung machte der dortigen Regierung den Deal mit einer Zustimmung zum Ankauf von amerikanischen Kampfflugzeugen schmackhaft. Und stößt damit auf den Widerstand des israelischen Militärs, das befürchtet, die strategische Dominanz im Nahen Osten zu verlieren.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.