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Áñez wirft das Handtuch
Martin Ling über das Kalkül von Boliviens »Präsidentin«
Boliviens De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez hat ihr Kalkül offen dargelegt: Jede Stimme für sie würde die Chance für den Sieg von Luis Arce, dem ehemaligen Wirtschaftsminister des ins Exil getriebenen Präsidenten Evo Morales von der Bewegung zum Sozialismus (MAS), vergrößern. Deswegen wirft Áñez das Handtuch: Sie zieht ihre Kandidatur für die Präsidentschaftswahl am 18. Oktober zurück, weil sie nicht gewinnen kann.
Das bolivianische Wahlrecht erkennt einem Kandidaten den Sieg in der ersten Runde zu, wenn er mit zehn Prozentpunkten Abstand gewinnt. Auch dann, wenn die absolute Mehrheit nicht erreicht wird. Direkt vor Áñez’ Ankündigung wurde eine Umfrage veröffentlicht, bei der Arce mit 40 Prozent zwölf Prozentpunkte vor Ex-Präsident Carlos Mesa lag. Damit würde Áñez’ Horrorvorstellung wahr - die Rückkehr der MAS an die Schalthebel der Regierung.
»Wenn wir uns nicht zusammenschließen, kehrt Morales zurück.« Mit allen Mitteln will Áñez verhindern, dass die von ihr in Gang gesetzte konservative Restauration zu Lasten der Indigenen von der MAS wieder gestoppt wird, die dafür Morales’ Rückkehr aus dem Exil gar nicht zwingend braucht.
Dass Áñez’ Kalkül aufgeht, ist allerdings fraglich. Ihre rechten bis rechtsradikalen Anhänger stehen dem rechtsradikalen Diego Camacho weit näher als dem neoliberalen Carlos Mesa. Und der Hardliner Camacho macht keine Anstalten, um für den chancenreicheren Mesa zurückzuziehen. Die rechte Uneinigkeit bleibt Arces große Chance im ersten Wahlgang. Siegt er, erhält die MAS eine zweite Chance. Bolivien wäre das zu wünschen.
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