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buch plan B: Die Herbst-Edition
Vier Buchtage im Oktober und eine Literaturbeilage im »nd«
Dieses Jahr 2020 wird das Jahr der Improvisation. Eine Kunst, die nicht nur, aber vor allem im Osten, weit verbreitet war und zum Teil noch ist. Der bayerische Universalkünstler und radikal gute Mensch Herbert Achternbusch wiederum ließ 1976 den Helden eines seiner schrägen Filme sagen: »Du hast keine Chance, aber nutze sie!«
Keine Chance auf Gespräche und das obligatorische Glas Wein dazu haben die Autoren, Verleger und Journalisten, die sich ab dem 14. Oktober für eine Woche auf der Frankfurter Buchmesse versammelt hätten. Keine Chance die Leser, auf einem Parforceritt durch die Messehallen Bücher, Bücher, Bücher zu entdecken. Die weltweit größte Buchmesse wird dieses Jahr weitgehend digital stattfinden.
Gesundbeten und Wegwünschen hat schon nicht gegen die Justinianische Pest von 571 u. Z. geholfen, die immerhin bis 700 u. Z. andauerte und von Mesopotamien bis Irland unzählige Opfer forderte. Wir leben zwar nicht mehr in der Spätantike, unterschätzen sollten wir Covid-19 und seine Verwandten dennoch nicht. Abstandsregeln und Hygienemaßnahmen werden noch für längere Zeit unseren Alltag begleiten.
Also nutzen wir die Nicht-Chance, improvisieren wir und holen uns ein Stück Buchmesse nach Berlin in die nd-Räume. Schließlich müssen die Bücher unters Volk. Wir wollen mit Ihnen über Literatur und das Leben plaudern, über Spitzentitel und versteckte Kleinode, über gesellschaftliche Relevanz und Eitelkeiten im Literaturbetrieb. Wein haben wir genug, Bücher auch. Dazu unsere druckfrische Literaturbeilage. Jetzt fehlen nur noch Sie, unsere Leserinnen und Leser.
Beginnen werden wir am Montagabend mit einem klassischen Format: Verlagsleiter Olaf Koppe, der im Übrigen schon seit Jahren die Literaturgespräche am nd-Stand auf der Leipziger Buchmesse organisiert und moderiert und Autorinnen und Autoren Löcher in den Bauch fragt, hat sich Thomas B. Steinke eingeladen. »Goldbecks Wenden«, 2020 erschienen im Quintus-Verlag, ist ein böser kleiner Roman über den Wendeverlorenen Hendrik Richard Goldbeck, dem ein mächtiger Mann einen faustischen Pakt anbietet. Goldbeck steigt und steigt auf, dann wendet sich das Blatt, um sich gleich noch einmal zu wenden. Ein Kabinettstück, das viel zu intelligent für die Spiegel-Bestsellerlisten daherkommt. Einen Auszug daraus haben wir Ihnen bereits in unserer Leseprobenbeilage »buch plan B« vom 28. März vorgestellt.
An den folgenden drei Tagen gibt sich ein neues Literarisches Duett die Ehre, das Sie nennen können, wie Sie wollen: Waldorf & Statler - das sind die grantelnden Kritiker aus der Muppet-Show -, Tim & Struppi, Dig & Dag, Max & Moritz, Batman & Robin, Otto & Alwin (wir haben auch noch keinen passenden Namen gefunden). Bestehend aus Christof Meueler, Ressortleiter des nd-Feuilletons, und Mario Pschera, der regelmäßig Bücher und Filme im »nd« vorstellt.
Zwischen beiden gibt es so viele Gemeinsamkeiten, dass die Gründung eines Literaturkritikkollektivs geradezu unausweichlich schien. Beide wurden 1968, der eine in der west-, der andere in der ostdeutschen Provinz, geboren - ein guter Jahrgang: John Lennon wurde endlich politisch (»Revolution«) und in Berlin unweit vom späteren nd-Gebäude die erste echte Soul-Band der DDR gegründet. Beide studierten brotlose Künste, eigneten sich praktische Fähigkeiten und Fertigkeiten in der Politik- und Kulturproduktion an und haben ein Faible für randständige Musik. Beider Schreibtische sehen meist aus, als hätten sie (Bonnie & Clyde) gerade eine Buchhandlung ausgeraubt. Nur über Fußball gehen ihre Meinungen auseinander (»Hurra, Auswärtsspiel!« - »Es gibt schönere Hobbys«). Ach ja, beide sind auch Berufsleser.
Am Dienstag nehmen wir uns die sechs Romane vor, die auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis 2020 stehen. Lohnt die Lektüre? Wenn ja, warum, oder auch nicht? Wir werden mit profundem Lob und Tadel nicht geizen.
Am Mittwoch stehen neue Bücher außerhalb der Bestenlisten auf dem Programm. Davon gibt es wesentlich mehr, und deswegen haben wir uns unter dem Motto »Kultur und Fortschritt« den Journalisten und Science-Fiction-Experten Florian Schmid eingeladen, der unter anderem für das »nd« und die Wochenzeitung »Freitag« schreibt. Wie viel Fortschritt steckt in der zeitgenössischen Literatur? Wird die Vergangenheit neu erfunden? Und wie lesenswert ist die Gegenwart?
Der dritte Abend unter dem Titel »Gitarre, Lyrik, Prosa« gehört der vorgetragenen aktuellen Literatur, quer durch den Gemüsegarten. Mit von der Partie ist der Schriftsteller und Fotograf Florian Günther, Herausgeber des empfehlenswerten Periodikums »Drecksack - Lesbare Zeitschrift für Literatur«. An der Gitarre sitzt Valle Monje, einer der besten Flamenco-Gitarristen, die derzeit in Deutschland spielen. Flamenco ist der Blues der Gitanos, der von Liebe und Leid, Stolz und Vorurteil erzählt und deshalb schon zur Literatur passt wie der Buchdeckel zum Buchblock. Es wird spannend. Und wenn es Ihnen gefallen haben wird, machen wir vielleicht eine Serie daraus. Kommen Sie vorbei!
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