• Politik
  • Antisemitismus in Deutschland

Stahlknecht und Haseloff in der Kritik

Ausgerechnet vor dem Gedenktag in Halle gibt die CDU eine unglückliche Figur ab

  • Max Zeising, Halle
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Landesregierung von Sachsen-Anhalt tagte am Dienstag nicht wie üblich in der Landeshauptstadt Magdeburg, sondern in Halle. Grund dafür waren die Vorbereitungen auf den Jahrestag des rassistischen und antisemitischen Anschlags vom 9. Oktober 2019. Das Kabinett um Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) traf sich mit Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) und dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, um in Vorbereitung auf die zahlreichen Gedenkveranstaltungen am Freitag auch staatliche Präsenz zu zeigen.

So einigte sich das Kabinett auf ein »Landesprogramm für jüdisches Leben in Sachsen-Anhalt und gegen Antisemitismus« sowie eine Zusatzvereinbarung zum Schutz jüdischer Einrichtungen, die auch Privorozki unterzeichnete. In trauter Einigkeit saßen die Herren dann auch bei der Pressekonferenz im Multimediazentrum Halle, was allerdings nicht zwingend bedeuten muss, dass es hinter den Kulissen genau so einig zuging. Speziell die Personalie Holger Stahlknecht sorgt derzeit für Diskussionsstoff: Der Innenminister, der ebenfalls bei der Pressekonferenz zugegen war, hatte zuletzt eine unglückliche Figur abgegeben – ausgerechnet zu diesem denkbar ungünstigen Zeitpunkt, kurz vor dem Gedenktag.

Was war passiert? Stahlknecht hatte am vergangenen Freitag die Polizeiinspektion Dessau besucht. Dort kündigte er an, dass die ständige Bewachung jüdischer Einrichtungen fortgeführt werden solle, was allerdings seinen Preis habe: Die zusätzlich geleisteten Arbeitsstunden »fehlen woanders«, wird der Minister in der »Mitteldeutschen Zeitung« zitiert. Es könne deshalb sein, dass die Polizei nicht bei jeder anderen Anforderung pünktlich zur Stelle sei.

Diese Aussagen erzürnten den Präsidenten des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, der die Eignung Stahlknechts für das Amt des Innenministers anzweifelte. Der CDU-Politiker suggeriere, Juden hätten in der Gesellschaft eine privilegierte Position und seien Schuld daran, wenn sich die Polizei um die Belange der übrigen Bevölkerung nicht mehr angemessen kümmern könne, sagte Schuster dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die Linke, aber auch die AfD im Magdeburger Landtag, forderten den Minister zum Rücktritt auf.

Nun reagierte Stahlknecht auf die Vorwürfe. Es tue ihm leid, wenn er missverstanden worden sei, sagte der Minister auf der Pressekonferenz: »Uns allen muss bewusst sein, dass der schreckliche Terroranschlag eine Zäsur in der Geschichte des Landes darstellt.« Die erhöhte Polizeipräsenz zum Schutz jüdischer Einrichtungen sei »nicht verhandelbar« und habe »oberste Priorität«. Auch Haseloff wurde von einem Journalisten auf die Kritik Schusters angesprochen, wich der Frage aber aus und warb stattdessen für sein Landesprogramm.

Privorozki wiederum blieb ruhig, schaltete sich nicht in die Debatte ein. Allerdings reagierte der Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt, dessen Vorsitzender Privorozki ist, mit einer Presseerklärung. Darin zeigt sich der Verband »im tiefsten Maße betrübt«. Weiter heißt es: »Hier werden die öffentliche Sicherheit und die Sicherheit der hier lebenden Jüdinnen und Juden gegeneinander ausgespielt. Dies liefert Vorschub für antisemitische Vorurteile und schafft sozialen Unfrieden.«

Auch um Ministerpräsident Haseloff hatte es zuletzt Wirbel gegeben. Der Regierungschef hatte die Synagoge in Halle zu Jom Kippur besucht, dem höchsten jüdischen Feiertag. Die Besucherin Christina Feist, eine der Nebenklägerinnen im Prozess gegen den Attentäter von Halle, hatte Haseloff auf Twitter vorgeworfen, die Feierlichkeiten gestört zu haben. Haseloff habe dort gesagt: »Was letztes Jahr geschah, wäre nicht passiert, wenn es mehr Versöhnung gäbe.« Wollte Haseloff wirklich zum Ausdruck bringen, dass die jüdische Gemeinschaft ebenso für fehlende Versöhnung zur Verantwortung zu ziehen sei wie der Rest der Bevölkerung? Max Privorozki dementierte jedenfalls die Kritik und nahm den Ministerpräsidenten in Schutz.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.