Im Untergrund verhaftet
Vietnam wirft Journalistin Trang staatsfeindliche Propaganda vor
»Ich will Freiheit nicht nur für mich selbst, das ist zu einfach. Nein, ich will etwas Größeres - Freiheit für Vietnam.« Das schrieb die vietnamesische Journalistin Pham Doan Trang 2019 in einem Brief, der im Falle ihrer Festnahme veröffentlicht werden sollte. In dieser Woche wurde sie nun verhaftet. Die 42-Jährige war im vergangenen Jahr in Berlin von der internationalen Organisation Reporter ohne Grenzen (ROG) mit dem Preis für Pressefreiheit in der Kategorie »besonders wirkungsvoller Journalismus« ausgezeichnet worden. Den Preis konnte sie nicht persönlich in Empfang nehmen, weil sie zu diesem Zeitpunkt in Vietnam bereits im Untergrund lebte und keinen gültigen Reisepass besaß. Daher wurde der Preis ihrem Mitarbeiter übergeben, der von Taiwan aus ihre Videos online stellt und Verlage für ihre Bücher sucht.
»Journalismus ist kein Verbrechen«, mahnte sie in einer Videobotschaft, die während der Preisverleihung in Berlin eingespielt wurde. Die Frau, die nach einer Misshandlung durch Geheimpolizisten im Jahre 2016 am Knie verletzt ist und stark humpelt, wollte das Preisgeld in Höhe von 2500 Euro für medizinische Behandlungen ausgeben.
Vietnam wirft Trang vor, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Videos, Presseartikel und Bücher Propaganda gegen den Staat zu betreiben. Darauf steht in Vietnam ein Strafmaß von bis zu 20 Jahren Haft. Mindestens 23 Blogger sitzen wegen dieses Strafrechtsparagrafen Haftstrafen ab. Seit dem letzten Parteitag der Kommunistischen Partei im Jahre 2016 haben sowohl die Zahl der Inhaftierungen als auch die Länge der Haftstrafen zugenommen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von ROG steht Vietnam auf Platz 175 von 180 Staaten.
Ihre journalistische Karriere hat die studierte Juristin bei der halbstaatlichen Zeitung »Vietnam Express« begonnen. Danach gründete sie ein eigenes Magazin und publizierte neun Bücher, darunter 2008 einen Bestseller mit Porträts schwuler und lesbischer Menschen. Das Thema Homosexualität war in Vietnam lange Tabu. Dass es dazu heute eine vergleichsweise liberale Gesetzgebung gibt und dass sich auch in der öffentlichen Meinung etwas tut, schreibt ROG auch der Wirkung ihres Buches zu.
In ihren Videos, die aus dem vietnamesischen Untergrund über Youtube verbreitet wurden und mit denen sie dank zahlreicher Klicks Geld verdienen konnte, ist sie in vietnamesischen Flusslandschaften oder in Pagoden zu sehen. Sie greift gern zur Gitarre und singt dazu. Sie informiert ihre Leser und Zuschauer über Rechte, auf die man sich in Viet-nam berufen kann. Sie zeigt große Empathie für unterdrückte Menschen.
2015 und 2016 wurde Trang mehrfach kurzfristig festgenommen und brutal geschlagen, als sie an Demonstrationen teilnahm, um gegen Baumfällungen in Hanoi zu protestieren. Anschließend wurde sie unter Hausarrest gestellt. Es gab auch Banditenüberfälle auf sie, in denen Kenner eine Aktion der vietnamesischen Geheimpolizei sehen. Zu ihrem Schutz entschloss sie sich danach, in den Untergrund zu gehen.
ROG fordert ihre sofortige und bedingungslose Freilassung. »Ihr angebliches ›Verbrechen‹ war es, unabhängige Informationen zu veröffentlichen und ihren Mitbürgerinnen und -bürgern damit zu ermöglichen, ihre durch die Verfassung garantierten Rechte auszuüben«, sagt Christian Mihr von der Journalistenorganisation. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch verurteilt die Verhaftung: »Trotz jahrelanger systematischer Störmanöver durch die Regierung bis hin zu schweren körperlichen Angriffen ist sie ihren Grundsätzen der friedlichen Einforderung von Menschenrechten und Demokratie treu geblieben. Ihre besonnene Herangehensweise an Reformen und die Forderungen nach einer echten Bürgerbeteiligung am Regierungshandeln sollte sich die vietnamesische Regierung anhören und respektieren, statt sie zu unterdrücken.«
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