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Mythen von Konkurrenz und Gewalt
Der populäre Autor und Blogger Jack Donovan enthüllt einen überspitzen Maskulinismus als Triebfeder der neuen amerikanischen Rechten - und das völlig unverblümt
Donald Trump wird wohl auch nach seiner - wie man dieser Tage zumindest hörte - glimpflichen Infektion mit Covid-19 kein Fan der Atemmaske mehr. Seine jüngsten Twitter-Aktivitäten legen nahe, dass er fortfahren wird mit seinem Spott über alle, die entsprechenden Empfehlungen der Gesundheitsbehörden folgen. Oft wirft man ihm vor, er politisiere die Maskenfrage ganz gezielt. Doch vermutlich liegt Trumps Aversion gegen das Stück Stoff erheblich tiefer. Sein Ego basiert auf gnadenloser Selbstüberschätzung: furchtlos und standhaft, komme was wolle! Was könnte ihm etwas anhaben, dem Über-Mann aus dem Weißen Haus?
Auch Jack Donovan lässt sich nicht mit einer Maske erwischen. Die Leute erstickten geradezu unter der Maskenpflicht des »mommy state«, verlacht er die Mund-Nasen-Schutz-Träger. Zwar hat sich der Schriftsteller, Podcaster und Bodybuilder aus dem US-Bundesstaat Oregon bisher nicht direkt mit Trump gemein gemacht. Doch lässt sich, während der Präsident nur per Ferndiagnose durchschaut werden kann, anhand Donovans freimütigem Output ein Kernelement des Trumpismus und der neuen amerikanischen Rechten herauspräparieren, nämlich der Kult einer bestimmten Maskulinität.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Zuweilen erscheint der muskelbepackte Donovan geradezu als aberwitzige Karikatur eines Donald Trump, der doch selbst schon völlig überzeichnet daherkommt. Was im Kontext von Covid beim Präsidenten im Subtext mitschwingt, spricht Donovan ganz offen aus. Die »klitzekleine Pandemie«, die »Grippe aus dem Orient« hätte zwar vielleicht »einer Millionen Alter und Kranker« im Lande das Leben gekostet, nun aber liege die gesamte amerikanische Mittelschicht und die Gesundheit der ganzen Nation brach. Welche Variante Jack Donovan - und wohl auch Trump - ureigentlich bevorzugt, erscheint da unzweideutig.
Doch schon vor der Pandemie hatte Donovan Staat und Eliten vollkommen durchschaut. Das »Imperium des Nichts«, wie er die modernen Staaten der Gegenwart bezeichnet, nehme den Menschen - und besonders den Männern - ihre Freiheit und mache sie zu willfährigen Untertanen. Ob der Autor, der nach eigenen Angaben weit über 100 000 Bücher verkauft hat und diverse erfolgreiche Social-Media-Kanäle mit Zehntausenden Abonnenten betreibt, jemals von Rosa Luxemburgs Bonmot »Sozialismus oder Barbarei« gehört hat, weiß man nicht. Klar ist aber, dass er sich für Zweiteres entschieden hat. Eines seiner jüngeren Bücher heißt sogar so, nämlich »Becoming a Barbarian«. In diesem wie in anderen Schriften und Medien entwirft er den Mann als widerständige Bestie. Unter den Rechten in den USA ist er eine der derzeit angesagtesten und zugleich umstrittensten Figuren. Selten hat sich in diesem Milieu jemand so ausführlich mit der Kategorie der Männlichkeit beschäftigt. Und selten hat jemand dieselbe körperlich so sehr mit Inhalt gefüllt.
Sein muskelstrotzender Sozialdarwinismus idealisiert ein Nebeneinander kleiner Männerbanden, die sich wie vorzeitliche Stämme bekriegen. Hier gilt das Recht des Stärkeren - zwischen diesen Gruppen wie auch innerhalb derselben. Ein solches Leben entspreche der wahren Natur des Mannes. Und so freut er sich über die zunehmende Verweigerung der Infektionsschutzmaßnahmen in den USA, die er als Aufbegehren seiner Geschlechtsgenossen gegen ihre insinuierte Entmündigung begreift: »Männer realisieren, dass sie zuallererst Männer sein müssen. (…) Jetzt ist die Zeit, auf dich selber zu gucken und zu sagen: Wie kann ich besser werden? Wie kann ich stärker werden?«
Was gleichsam Motive aus dem Fantasy-Genre und neoliberale Konkurrenzprinzipien in einem zeittypischen Selbstoptimierungsmodus vereint, zielt auf ein Publikum weißer, mittelständischer Männer, die in Trump ihren Heiland gefunden haben: Aufgewachsen mit Arbeit, Wohlstand und der unbekümmerten Gewissheit, in der Supernation schlechthin zu leben, reagieren sie ebenso sensibel wie angriffslustig auf jede Entwicklung, der nur ein Anschein nachgesagt werden kann, das imaginierte gelobte Land der Väter und Vorväter verloren zu geben. Ein Viertel der Amerikaner denkt inzwischen, die Gesellschaft sei längst zu »verweiblicht«.
Und so treffen sich Trump und Donovan, obschon der eine die Macht des Staates verkörpert und der andere sich als Gegenmacht versteht, auch an anderer Stelle in den aktuellen Debatten wieder. Trump, der selbsternannte »President of law and order«, hat im Zuge der jüngsten antirassistischen Proteste gezeigt, dass er nicht gewillt ist, auch nur das kleinste bisschen Schwäche zu zeigen. Er ließ die Nationalgarde aufziehen und empörte sich lautstark, wenn einzelne Bundesstaaten nicht mitzogen. Es war nicht die vereinzelte Gewalt an sich, die er schließlich unmittelbar mit Gegengewalt beantwortete, sondern deren Form und Ziel, an denen Trump sich störte.
»Bei den Unruhen geht es nicht um Gerechtigkeit. Es geht um Chaos und Zerstörung zum Zwecke von Chaos und Zerstörung« - das hätte Trump sagen können, aber die Worte stammen von Donovan. Auch er lehnt Gewalt nicht ab - im Gegenteil -, aber sie ist für ihn positiv, beinahe sakral besetzt. Einem »anonymen maskierten Mob«, wie er etwa über die Proteste in Portland schreibt, kann Donovan nichts abgewinnen. Denn die Gewalt ist ehrenvolle Sache der Männer. Sie folge einem »Impuls, der sagt: ›Ich bin hier, and I MATTER‹«.
Am Beispiel Donovans lässt sich die grassierende Verrohung der politischen Kultur in den USA in Zeiten des Trumpismus erahnen. Der 45-Jährige hat zwar bereits 2006 sein erstes Buch publiziert, eine Abrechnung des offen homosexuell Lebenden mit der schwulen Subkultur. Durchschlagenden Erfolg hatte er aber erst im vergangenen Jahrzehnt. 2012 erschien »The Way of Men«, sozusagen Donovans Hauptwerk, das düster den Untergang der Männlichkeit beschwört und die Männer zum Widerstand aufruft. Seither hat er in der rechten, maskulinistischen und antifeministischen Szene so sehr an Popularität gewonnen, dass er von Auftritten und anderweitiger Selbstvermarktung wohl gut leben kann.
Donovan inszeniert sich als Mann der Tat, der stets selber anpackt und so Herr seiner Selbst, unabhängig und frei ist. Bevormundung und Nichtstun gelten ihm als Schwäche und Zeichen von Unmännlichkeit. Hinzu kommt eine Faszination für klassische (männliche) Philosophen, die er in den sozialen Netzwerken auszubreiten weiß. Auch in Deutschland konnte er bereits Anhänger finden: Die Übersetzungen seiner Bücher erscheinen im Antaios-Verlag des neurechten Publizisten Götz Kubitschek und werden von der Szene größtenteils begeistert aufgenommen. Am »Institut für Staatspolitik« in Schnellroda trat Donovan gar bereits vor der versammelten Neuen Rechten auf.
Noch hat die Gesellschaft wilder Männer, die sich Donovan erträumt, mit den USA der Gegenwart nicht viel gemein. Auch Trump entspricht ja kaum dem Idealbild eines hypermaskulinen Anführers - weder körperlich, noch in seiner Herkunft aus genau jener globalistischen Elite, die Donovan wie Trump zugleich so gern verächtlich machen. Dennoch lohnt die Beschäftigung mit Donovan für alle, die das exzentrische und befremdliche Weltbild des US-Präsidenten und seiner Gefolgsleute zu verstehen versuchen. Denn die Verachtung der Schwäche - und der Schwachen -, der manische Glaube an die eigene Überlegenheit und die Durchsetzung von »law and order« mit Gewalt sind Phänomene, die extrem rechte Männer schon immer ausmachen - und die nicht umsonst in der Ära Trump an gesellschaftlicher Relevanz gewonnen haben.
Und sei es, wenn der mächtigste Mann der Welt sich beharrlich weigert, eine Maske aufzusetzen.
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