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  • Beilage zur Buchmesse Frankfurt Main

Ein bewegtes Leben

Jörg Becker veröffentlichte die Biografie von Gustav Flohr aus »Bergisch Moskau«

  • Hans-Gerd Oefinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Dass die rheinisch-bergische Industriestadt Remscheid vor 100 Jahren den Ruf als »Bergisch Moskau« genoss, war kein Zufall. Die von Metallfacharbeitern gegründete Arbeiterbewegung hatte einen sehr hohen Organisationsgrad und Zusammenhalt, Streikerfahrung und Selbstbewusstsein. Der 1917 von Russland ausgehende revolutionäre Funke sprang hier über. Im November und Dezember 1918 wie auch nach der Niederschlagung des Kapp-Putsches im März 1920 herrschte in der Stadt vorübergehend eine autonome Arbeiter- und Soldatenregierung. Ab Ende 1920 war Remscheid eine Hochburg der KPD.

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Jörg Becker (Hg.): Gustav Flohr. Noch ein Partisan! Ein Remscheider Kommunist, Klempner, Spanienkämpfer und Bürgermeister.
J. H. W. Dietz, 504 S., br., 32 €.

Zu den überregional bekannten Köpfen, die damals in der revolutionären Remscheider Arbeiterbewegung geprägt wurden, gehört neben dem zeitweiligen KPD-Reichstagsabgeordneten, ADGB-Gewerkschafter und späteren FDGB-Vorstandsmitglied Otto Braß auch der 1895 geborene Klempner Gustav Flohr, der im November 1932 für die KPD in den Reichstag gewählt wurde. Dessen Leben und Werk ist jetzt dank dem Bonner Verlag J. H. W. Dietz Nachf. auf dem Buchmarkt, versehen mit einem Vorwort des örtlichen IG-Metall-Geschäftsführers Marko Röhrig.

In einem autobiografischen Text beschreibt zunächst Flohr selbst seine Kindheit und Jugend im Remscheider Arbeitermilieu ebenso spannend wie seine Erfahrungen als Kriegsteilnehmer und aktiver Revolutionär, Aktivitäten in den hektischen 20er und frühen 30er Jahren, Gefängnisaufenthalte, KZ-Haft, das Leben im Exil sowie sein Engagement im Spanischen Bürgerkrieg und in der französischen Résistance. Sein Manuskript endet 1944.

Einen Anstoß für das Buch gab Flohrs Stiefenkelin Regina Triesch. Sie hatte in jungen Jahren ihrem 1965 verstorbenen Großvater intensiv zugehört und bewahrte eine große Holzkiste mit Büchern, Aufzeichnungen und anderen Dokumenten auf. 2008 bat sie den Politikwissenschaftler Jörg Becker, den Nachlass zu veröffentlichen, was dieser dankenswerterweise tat.

Flohrs Wirken im Spanischen Bürgerkrieg widmet sich der Historiker Werner Abel, der manche Aussagen des Protagonisten kritisch bewertet, so dessen platte stalinistische Seitenhiebe gegen die Linkspartei POUM, die als vermeintlich »trotzkistische« Organisation verfolgt und verboten wurde.

Vom Herbst 1944 bis Mai 1945 war Flohr Mitarbeiter beim US-Geheimdienst OSS, später ein halbes Jahr lang Oberbürgermeister von Remscheid. Wenig später erfolgte der Bruch mit der KPD. Er war in den Verdacht des »Titoismus« geraten. Auch wenn ihm in den 50er Jahren die Wiederaufnahme in die Partei verweigert wurde, fungierte Flohr jahrelang als geheimer Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR.

Alles in allem ein spannender Blick auf ein wechselvolles, bewegtes Leben und eine durchaus widerspruchsvolle Biografie, die gerade auch im krisengeschüttelten 21. Jahrhundert bei der jüngeren Generation neues Interesse an alten Fragen wecken kann.

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