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»Sie haben nirgendwo Platz«

Berliner Projekt bietet Wohnungslosen Unterkunft und bei Bedarf auch therapeutische Betreuung

  • Lola Zeller
  • Lesedauer: 4 Min.

Im Innenhof wird zwar noch gebaut, aber die ersten beiden Etagen des Hinterhauses in der Scharnweberstraße 29 in Friedrichshain sind schon bewohnt. In den zwei Etagen darüber stehen die Zimmer noch leer. Hier sollen Bewohner*innen von zwei Therapeutischen Wohngemeinschaften (TWG), allgemein »Betreutes Wohnen« genannt, einziehen.

»Wir haben schon lange gesehen, dass es eine Lücke vor der Therapeutischen Wohngemeinschaft gibt«, sagt Daniela Keßler. Sie leitet das Projekt, das vom Verein Prowo getragen wird. Der Weg dorthin sei oft hürdenreich und viel zu bürokratisch. Allein, dass Bedürftige ein Gutachten des Sozialpsychiatrischen Dienstes vorweisen müssen, welches sie als »bedroht oder betroffen von einer seelischen Behinderung« einstuft, stelle für viele ein Problem dar, sagt Keßler.

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Außerdem gebe es viele Menschen, die weder in Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe noch in der Eingliederungshilfe aufgenommen würden, da sie zum Beispiel »zu auffällig« oder »nicht abstinent genug« seien. »Sie haben nirgendwo einen richtigen Platz und landen immer wieder im Krankenhaus und auf der Straße«, so Keßler.

Die neue Einrichtung soll wohnungslose Menschen, bei denen eine psychische Erkrankung vermutet wird, niedrigschwellig aufnehmen und betreuen. Die Unterbringung durch die Berliner Bezirke ist ein Teil des Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetzes, kurz Asog. Im Rahmen dessen gibt es in den unteren Etagen der Scharnweberstraße 29 einen »Asog Plus«-Bereich. »Das ist der Bereich für Leute, die über die Soziale Wohnhilfe im Bezirk kommen«, sagt Keßler. Um über die Wohnhilfe in eine Unterkunft vermittelt zu werden, genügt es, einen Antrag zu stellen.

Die kombinierte Einrichtung ist die Schnittstelle zwischen der Wohnungslosenhilfe und der Eingliederungshilfe, erklärt Keßler. So könnten Menschen, die nach einer niedrigschwelligen Unterbringung suchen, perspektivisch in TWGs vermittelt werden. »Die Leute ziehen nur drei Etagen hoch, haben aber immer noch mit den selben Menschen zu tun«, erklärt die Leiterin.

Projekte scheitern an den Immobilien

Das Hinterhaus in der Scharnweberstraße hat der Verein Anfang 2020 nach Vermittlung des Bezirks gemietet. Das Haus zu kaufen, sei aber nicht finanzierbar gewesen. »Jetzt haben wir nur einen Mietvertrag für zehn Jahre und wissen nicht, was danach ist«, sagt Keßler. Im Moment bietet die Einrichtung zwölf Plätze im »Asog Plus«-Bereich, ab Mitte Oktober stehen zusätzlich zehn Plätze in den TWGs zur Verfügung. »Es gibt Ideen, Leidenschaft und Herz bei den Trägern, aber keine freie oder finanzierbare Immobilie«, beschreibt Keßler ein Problem, das viele Träger umtreibt.

Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg sei nicht in der Lage, Häuser zur Verfügung zu stellen, sagt Sabine Saggau zu »nd«. Sie ist im Sozialamt verantwortlich für »Asog Plus«. Die Scharnweberstraße 29 sei ein Modellprojekt im Bezirk. Weitere Einrichtungen dieser Art seien aber nicht geplant, so Saggau.

Der Berliner Wohnungsmarkt war auch Thema bei der vierten Strategiekonferenz zur Wohnungslosenhilfe. Zu dieser hatte Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) Kürzlich eingeladen. »Wohnraum bekommen wir nur, wenn wir eigene Wohnungen bauen für Menschen, die wohnungslos oder von Wohnungslosigkeit bedroht sind«, erklärt Breitenbach. Das Land Berlin habe deshalb 100 landeseigene Grundstücke für Träger reserviert. »Die, die bauen, sollen aufhören, Unterkünfte zu bauen, sondern sollen Wohnungen bauen«, so Senatorin. Problematisch an der Unterbringung in Unterkünften seien nicht nur mangelnde Selbstbestimmung und Rückzugsmöglichkeiten. »Wenn wir die Unterbringung in Zweibettzimmern haben, kriegen wir die Hygienebedingungen und Abstandsregeln nicht hin«, sagt Breitenbach mit Blick auf die Pandemiesituation. Die Senatsverwaltung strebe daher einen »Masterplan zur Beendigung von Wohnungs- und Obdachlosigkeit in zehn Jahren« an.

Land soll Unterkünften anmieten

Bis dahin soll sich die Gesamtstädtische Steuerung kümmern. Ziel sei es, durch ein zentralisiertes System qualitätsgesicherte Unterkünfte zu gewährleisten. Betreibende sollen Verträge mit dem Land abschließen. Die Bezirke bleiben zuweisende Stelle und Ansprechpartner für wohnungslose Menschen. Aktuell befinde sich das System noch in der Testphase, so Projektleiterin Hannah Kreinsen. Im Februar 2021 starte dann das Pilotprojekt, die schrittweise Implementierung des Systems soll ab Juni 2021 erfolgen.

Vor dem Gebäude, in dem die Konferenz stattfand, gab es Protest. »Leave No One Behind Nowhere - Bündnis für wohnungslose und obdachlose Menschen mit und ohne Flucht- und Migrationsgeschichte« hatte zur Kundgebung aufgerufen. »Wir wollen endlich Taten sehen statt immer neuer Diskussionsrunden, Panels und partizipativer Arbeitskreise«, so heißt es im Aufruf der Aktivist*innen.

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