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Wurstige Interessenpolitik
Die europäische Agrarlobby ist mit ihren Verbotsforderungen für Fleischersatzprodukte gescheitert
Veggie-Burger bleibt Veggie-Burger. Die europäische Agrarlobby hat mit ihren Verbotsforderungen für Fleischersatzprodukte eine saubere Bauchlandung hingelegt, das EU-Parlament stellte sich quer. Der Vorgang ist in vielfacher Hinsicht bemerkenswert. Da ist zunächst eine selbstbewusste Veggiebewegung, die bis ins letzte bayerische Dorfgasthaus die Speisekarte verändert hat. Auch dort gibt es inzwischen ganz selbstverständlich vegetarische und oft auch vegane Gerichte. Dieselbe Veggiebewegung lehnt Fleischprodukte kategorisch ab, kopiert aber deren Namen für viele vegetarische Zubereitungen – bis hin zum vegetarischen Sojarinderfilet.
Solche Bezeichnungen erscheinen zwar unsinnig, andererseits geben sie den Käufern offenbar tatsächlich Orientierung, wie Umfragen zeigen. Die Verbraucher mögen solche Bezeichnungen, weil sie etwa bei einer Veggie-Bratwurst dann ungefähr wissen, was sie erwartet: Eine wurstähnliche Zubereitung zum Braten.
Die behauptete Verwirrung und Irreführung des Verbrauchers ist eine Erfindung der Fleischbranche. Bisher ist noch kein Kunde aufgefallen, der zu Hause weinend vor seinem Teller gesessen hätte, weil er feststellen musste, dass im Veggie-Fleischsalat kein Gramm Fleisch drin ist. Die Verbraucher, die angeblich geschützt werden sollen, wollen keinen Schutz vor falschen Produktnamen, im Gegenteil. Außerdem müsste man dann auch die Fleischtomate verbieten, den Palatschinken und die Kokosmilch. Und was ist mit dem Hotdog? Der besteht auch nicht aus heißem Hundefleisch.
Aber im Ernst: Es ist ein Trauerspiel, dass es die Agrarlobby überhaupt geschafft hat, dass ihre Verbotsforderungen in einen Gesetzentwurf mündeten. Der jetzt vom EU-Parlament krachend abgelehnt wurde.
Das eigentliche Problem ist aber nicht der Name der Produkte, sondern das, was drin ist. Viele Fleischersatzprodukte sind eine hochprozessierte, mit unzähligen Hilfs- und Zusatzstoffen verarbeitete Nahrungsmasse, die jede Natürlichkeit verloren hat. Geschmack und Konsistenz haben sich zwar in den letzten Jahren gebessert, aber die fast chemische Zubereitung vieler Produkte wird auch innerhalb der Veggiebranche zunehmend kritisch gesehen. Wer sich ernsthaft um Alternativen zum hohen Fleischkonsum bemüht, hat solche Produkte nicht verdient.
Dass der Fleischersatz dennoch boomt und allein im vergangenen Jahr ein Umsatzplus von 37 Prozent verbuchte, zeigt einen Wachstumsmarkt, der sich vor allem darauf gründet, dass zunehmend mehr Esser die Massentierhaltung in gegenwärtiger Form als widerwärtig empfinden. Gut die Hälfte aller Deutschen definiert sich als Flexitarier und versucht, den Fleisch- und Wurstkonsum bewusst zu reduzieren. Fleisch hat einen ranzigen Beigeschmack bekommen. Die Fleischbranche steht nicht nur wegen des Tierwohls unter Druck, sondern, wie der Tönnies-Skandal zeigte, auch wegen des Menschenwohls – mit Zuständen bei den osteuropäischen Hilfsarbeitern, die an Sklavenhaltung erinnern.
Die Verbotskampagne für Veggieprodukte ist noch aus einem anderen Grund unglaubwürdig. Wenn es tatsächlich um den Kampf gegen Verbrauchertäuschung ginge, dann müssten sich Politik und Lebensmittelaufsicht um unzählige Betrugsprodukte im Handel kümmern. Wie viel Milligramm Kalbsleber stecken eigentlich in der Kalbsleberwurst, die doch vor allem aus Schwein besteht. Erdbeerjoghurt enthält keine einzige Erdbeere, dafür reichlich aus Sägemehl im Labor synthetisiertes künstliches Erdbeeraroma. Vanilleeis wird meist ganz ohne Vanille hergestellt, Karottensaft zu großen Teilen aus Orangen gewonnen, Thüringer Buttermilch kommt aus Bayern. Und der Himbeer-Rhabarbersaft eines führenden Discounters enthält – Tusch! – amtlich festgestellte 0,1 Prozent Saft aus den bezeichneten Quellen. Dafür umso mehr künstliche Aromen und vor allem – Wasser!
Reichlich Wasser und Zucker wird übrigens mit Hilfe von Bindemittel auch in die »echte« Wurst aus Fleisch gerührt. Verbrauchertäuschung ist beinahe die Regel im Lebensmittelhandel – es gäbe viel zu tun. Wenn man es ernst meint.
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