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Ostsächsischer Platzhirsch
Fusion von Drewag und Enso lässt das größte kommunale Energieunternehmen in Ostdeutschland entstehen
Bisher war es eine Art wilde Ehe. Der Dresdner Energieversorger Drewag und sein ostsächsisches Pendant Enso haben seit Jahren den gleichen Chef, sie bauen eine gemeinsame Firmenzentrale in der sächsischen Landeshauptstadt, und ihre Eigentümer haben sich vor Jahren gemeinsam von einem privaten Energiekonzern losgekauft. Jetzt geben sie sich auch formal das Ja-Wort. Am 18. Dezember soll eine Hauptversammlung die Fusion von Drewag GmbH und Enso AG beschließen. Die so entstehende Sachsenenergie AG soll der größte kommunale Versorger in Ostdeutschland sein - und der viertgrößte seiner Art in der Bundesrepublik.
Mit dem Zusammenschluss entsteht, was Dresdens FDP-Oberbürgermeister Dirk Hilbert ein »Stadt-Land-Werk« nennt; von einer »einzigartigen Kombination von Stadt und Land« ist auch die Rede. Die Drewag ist in der Landeshauptstadt für die Versorgung mit Strom und Wärme zuständig; ihre Ursprünge liegen in einer 1930 gegründeten städtischen Aktiengesellschaft, der ersten ihrer Art überhaupt. Die Enso ist in den Landkreisen Bautzen, Görlitz, Sächsische Schweiz/Osterzgebirge sowie Meißen tätig. In der Region leben 1,5 Millionen Menschen. An der Sachsenenergie AG wird die Stadt Dresden zu 82,3 Prozent beteiligt sein; 16,3 Prozent hält die Beteiligungsgesellschaft KBO, in der 147 ostsächsische Kommunen vertreten sind. 1,4 Prozent halten weitere einzelne Kommunen.
Die Fusion beider Versorger, die zusammen einen Umsatz von 2,8 Milliarden Euro erwirtschaften und 3300 Beschäftigte haben, ist das letzte Kapitel einer erfolgreichen Rekommunalisierung. Zeitweise gehörten sie zu guten Teilen den Energieriesen EnBW und Eon - über deren Töchter Geso und Thüga. Die Stadt Dresden hatte beiden kurz vor der Jahrtausendwende 45 Prozent der Drewag verkauft. Es war eine Zeit, in der die öffentliche Hand als schlechter Unternehmer galt. Die Stadt nahm 82 Millionen Euro ein, musste aber in den Folgejahren Gewinnanteile von gut 200 Millionen an die Miteigentümer überweisen, die im Stadtsäckel fehlten.
Einige Jahre später hatte sich der Wind gedreht; Kommunen suchten wieder Zugriff auf Unternehmen zu bekommen, die Dienstleister für Bürger und Betriebe waren: Wasserwerke, Abfallentsorger, Energieversorger. In Dresden und Umgebung bot sich die Gelegenheit 2010. Der EnBW-Konzern wurde damals vom Kartellamt verpflichtet, sich von der Tochter Geso zu trennen, um beim ostdeutschen Gasversorger VNG einsteigen zu können. Es bestehe »die einmalige Chance, ein Unternehmen zu bilden, welches die Energieversorgung unter kommunaler Regie vereinigt«, sagte Dresdens damalige Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU). Weil die Geso sowohl am Dresdner Versorger als auch an dem in Ostsachsen beteiligt war, bot die Stadt gemeinsam mit 163 Kommunen aus ihrem Umland - letztlich erfolgreich. Für 835 Millionen Euro wurden die Anteile zurückgekauft.
Auf diese Vorgeschichte weisen Dresdner Kommunalpolitiker vor dem für 10. November geplanten Ratsbeschluss über die Fusion ausdrücklich hin. Sie sei »der Höhepunkt des von uns seit mehreren Jahren vorangetriebenen Kurses der Rekommunalisierung und der Stärkung des öffentlichen Sektors«, sagt André Schollbach, Fraktionschef der Linken. Der grüne Stadtrat Johannes Lichdi betont indes, die Strategie sei parteiübergreifend und unabhängig von Mehrheitsverhältnissen verfolgt worden: »Dieser Konsens ist die Grundlage unseres heutigen Erfolges.«
Dank der Fusion verspricht das Unternehmen höhere Erträge für die Anteilseigner - von zusätzlichen 30 Millionen Euro ist die Rede. Die Beteiligungsgesellschaft KBO soll künftig keine Dividenden mehr erhalten, sondern einen Festbetrag von jährlich gut elf Millionen Euro bis 2030; danach sind es 7,66 Millionen Euro. Die Stadt Dresden hofft auf höhere Ausschüttungen, um steigende Defizite im Nahverkehr und bei den städtischen Bädern decken zu können. Frank Brinkmann, bisher in Personalunion der Chef von Drewag und Enso, kündigte zudem Investitionen von zwei Milliarden Euro binnen zehn Jahren in die Infrastruktur an. Das Geld soll ausgewogen in Stadt und Umland investiert werden: Man habe, betonte Brinkmann, den »Unternehmensgrundsatz der regionalen Gleichbehandlung« festgeschrieben. Auf dass es beim neuen Stadt-Land-Versorger in Ostsachsen nicht gleich zu ernsten Ehekrisen kommt.
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