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Warten auf den nächsten Gig
Gerade als sie als DJ so richtig durchstartete, kam Corona. Für DJ Frida Darko ist die Pandemie aber auch eine Chance, wieder ein entspannteres Verhältnis zur Musik zu finden
Es ist ein heißer Tag. Pauli hat einen großen Rucksack auf dem Rücken. An diesem Wochenende ist sie für einen Livestream in Berlin, eigentlich wohnt sie in Leipzig. Sie wolle abends noch zurückfahren, am nächsten Morgen müsse sie arbeiten. »Wegen der Corona-Situation jobbe ich gerade. Das tut aber eigentlich ganz gut und schafft Routine«, sagt Pauli. Vor Corona hat sie mit DJ-ing ihren Lebensunterhalt finanziert. Als Frida Darko war sie in Mailand, Kopenhagen und New York unterwegs. Heute fährt sie von Kita zu Kita und liefert Essen aus. Pauli studiert Ernährungswissenschaften, den Master hängt sie ab Herbst dran. Dank der vielen Bookings sollte dieser Sommer ihr Festivalsommer werden, Corona machte einen Strich durch die Rechnung. Aus einer Praktikumsanfrage ergab sich der Job als Essenslieferantin. Statt als Frida Darko auf den großen Technobühnen, fährt sie nun als Pauli auf den Straßen Leipzigs Buletten und Mischgemüse umher.
Außer, es gibt eben mal einen Livestream. Samt Gepäck geht es auf die Suche nach einem schönen Plätzchen in Friedrichshain. »Na stilecht RWA-Gelände?«, sie grinst. Mit Mate-Limo und Kaffee ausgestattet, findet sie schließlich ein geeignetes Plätzchen zwischen den geschlossenen Clubs.
»Ich bin so ein richtiges Clubkind«, sagt sie. Pauli kommt aus einem kleinen Dorf in Thüringen. Die Eltern hatten damals eine Disco betrieben. Musik und Nachtleben wurden ihr quasi in die Wiege gelegt. »Am Tag der Offenen Tür der Musikschule habe ich mir das Schlagzeug ausgesucht«, erzählt sie. Darauf folgten Violine, Klavier, Chor. »Später beim Auflegen habe ich deshalb ziemlich schnell verstanden, was da passiert.«
Abitur und ab ins Ausland
Nach dem Abitur ging sie zum Studieren nach Gießen. Der Schlüsselmoment kam im zweiten Semester: der erste Festivalbesuch. Mit Freund*innen ging’s zur Fusion. Pauli war überwältigt. »Es war vor allem der Vibe der Szene: Die Leute waren alle so schön, lieb und herzlich«, ihre Augen glänzen. Zurück in Gießen ging sie auch dort auf Technopartys. Vorne am DJ-Pult standen immer Männer. »Warum kann er das - er sage ich hier ganz bewusst, weil es waren nur Typen - und warum sollte ich das nicht auch können?«, fragte sie sich. Von ihrem damaligen Freund lieh sie sich einen Controller und produzierte ihr erstes Set: »Frida, Freude, Eierkuchen« hieß es, passend zu ihrem neuen Künstlernamen Frida Darko. Das war eher noch klassischer Techno. Ab dem dritten Set hat sie Downtempo für sich entdeckt. Elektronische Musik, nur etwas verspielter und langsamer.
Auf dieses erste Set folgte wenig später ihr erster Gig auf einer WG-Party. Das war Anfang 2018. Dann ging alles ganz schnell. 2019 folgte ihr erster Festivalsommer als Frida Darko. Auch auf der Fusion legte sie auf. Zwei Jahre nachdem sie die Szene dort entdeckt hatte, durfte sie selbst auf dem berühmten Floor »Sonnendeck« spielen. Zwischen 2000 und 3000 Leute tanzten vor ihr. Kurz vor dem Auftritt fragte sie ihr Freund: »Na biste aufgeregt?« »Nein«, war ihre Antwort.
Klar war sie aufgeregt. Früher, bevor sie mit dem Auflegen angefangen hatte, machte Pauli mit einem Freund Singer-Songwriter-Musik. »Ich kam aber mit der Aufregung nicht klar und dann hat meine Stimme beim Singen immer gezittert. Deshalb habe ich damit aufgehört«, erzählt sie. »Beim Auflegen hört man meine Stimme nicht, und wenn ich zittrige Finger habe, kann ich den Knopf trotzdem drehen.« Nach den ersten zehn Minuten Panik bei ihrem Fusion-Gig war sie nur noch im Rausch: die Lichter, die Menschenmenge, die Stimmung. »Es war eine der krassesten Erfahrungen, die ich bisher erlebt habe - krass, krass, krass überwältigend.«
»Der Moment des Auflegens schafft Verbundenheit mit den ganzen Leuten. Man bewegt etwas. Man sendet eine Message«, sagt sie. Im Business ist man abhängig von den Booker*innen. Wo hat jemand schon aufgelegt? Wie bekannt ist der Name? Das steigert die Chance, gebucht zu werden. Nach ihrem Auftritt auf der Fusion flatterten die Anfragen nur so rein. In der Blütezeit der vielen Gigs haben ihr ihre Freundinnen in Leipzig Halt gegeben. Sie hat ihre Künstlerinnenpersönlichkeit Frida Darko externalisiert. »Frida Darko nimmt die Bestätigung der Öffentlichkeit gerne wahr, ist extrovertiert und abgeklärter. Pauli ist lebensbejahend, interessiert an Menschen, aber ihr reicht auch die zweite Reihe. Sie ist ruhiger, bleibt auch gerne mal zu Hause und kocht«, sagt sie. Pauli wirkt mehr verwundert als abgehoben über den Hype um sie und ihre Musik.
Die Sets erzählen Geschichten
Die Technoszene ist männerdominiert - auch hinter der Bühne. Mehr Booker als Bookerinnen. Mehr Clubbesitzer als Clubbesitzerinnen. Darüber ist sich die Szene bewusst und versucht, ausgeglichenere Verhältnisse zu schaffen. Pauli habe hauptsächlich Positives erlebt, blöde Geschichten kenne sie aber von ihren DJ-Freundinnen durchaus. Da kommen Kommentare wie: »Ist ja eine Frau - deshalb wird sie auf der Fusion gebucht.« »Das ist ein sensibles Thema«, sagt Pauli. Man ertappe sich schon mal dabei, sich selbst zu fragen, zu wie viel Prozent man wegen der Musik und zu wie viel Prozent man wegen des Geschlechts gebucht wurde. Sie hält kurz inne, schaut dann auf. »Okay, dann habe ich jetzt diesen Auftrittsslot, vielleicht nur, weil ich eine Frau bin. Aber dann zeige ich euch erst recht, dass ich gut bin! Ich habe dann richtig Bock, geile Tracks zu spielen, technisch gut zu sein und euch zu zeigen, dass ich es verdient habe«, sagt sie mit fester, entschlossener Stimme.
Am Anfang saß sie stundenlang an den Sets. »Downtempo macht ganz arg viel mit mir. Ich habe das Gefühl, mit so einem Set eine ganze Geschichte erzählen zu können.« Dann kam der Druck. Plötzlich musste es ständig passieren: Musik suchen, sich auf die Gigs vorbereiten, dem eigenen musikalischen Anspruch standhalten. Irgendwann kam die Angst dazu. »Was, wenn ich diese Fähigkeit verliere, dass Menschen von meinen Sets begeistert sind?« Am Anfang war es toll und schmeichelhaft, diese ganzen Anfragen von Veranstaltungen zu bekommen. Pauli spielte gerade mit dem Gedanken, mal ein bisschen langsamer zu machen. Zack, dann kam Corona. »Jetzt bastele ich wieder Sets und weiß gar nicht wofür«, sagt sie. Das kommt nun aus einer inneren Motivation. Für sie fühlt es sich gut an.
Vielleicht kam die Zwangspause gerade zum richtigen Zeitpunkt. Dadurch gibt es Raum für neue Projekte. Gemeinsam mit dem DJ-Kollegen Elias Doré nimmt Pauli vier Podcastfolgen auf. »Mein Papa meinte immer: Pauli braucht eine Bühne«, schmunzelt sie. Die hat sie jetzt. »Ich habe aber gemerkt, dass ich noch nicht bereit bin, so viel von mir preiszugeben.« Mit Musik mache man sich weniger angreifbar als mit Worten. Dabei will sie erst mal bleiben. Aber nicht nur das: Im Herbst beginnt ihr Master-Studium in Ernährungswissenschaften. Nur von der Musik leben möchte sie nicht. »Das Auflegen ist für mich sehr wertvoll. Ich habe Angst, dass die Karriere zerbrechen könnte, passe deshalb auf - so wie wenn man eine kostbare Porzellantasse behutsam in den Händen hält.« Wer sich nur auf die Musik stürze, verliere oft an Leichtigkeit.
Nach der Zwangspause im Frühjahr ging es langsam wieder los: Frida Darko spielte im Sommer auf Veranstaltungen mit Hygienekonzept. Sie freute sich, als Frida Darko öffentlich zu zeigen, was sie im Lockdown erarbeitet hatte, und endlich wieder einen Hauch des Prickelns zu spüren, Menschen mit ihrer Musik zu bewegen. Doch mit Blick auf die steigende Infektionszahlen steht nun wohl die nächste Ruhephase vor der Tür. Pauli nimmt es gelassen. »Mein Studium geht jetzt los und ich freu mich drauf, wieder mehr Pauli zu sein, aber Kreativität eben nebenbei ganz ohne Druck wann und wie ich will auszuleben.«
Pauli möchte nicht mit ihrem bürgerlichen Namen und der Künstlerfigur Frida Darko in Verbindung gebracht werden.
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