- Kultur
- US-Wahl im Netz
So langsam drehen alle durch
Millionen von Menschen verfolgen weltweit die Wahl des US-amerikanischen Präsidenten. Doch das Ergebnis lässt auf sich warten. Mit der Anspannung wird im Netz ganz unterschiedlich umgegangen.
Dass die Wahlen so lange dauern würden, hat niemand so richtig kommen sehen. Durchaus gingen die meisten politisch Interessierten davon aus, spätestens am Morgen des 4. November mit einem Wahlergebnis aufzuwachen. Es steht eben viel auf dem Spiel. Und jetzt stecken jene, die fiebrig die Auszählung verfolgen, kollektiv in der News-schleife fest: Unruhig die Nachrichten checken; vom derzeitigen Stand der Dinge enttäuscht sein; Smartphone, Computer, Tablet weglegen; ungeduldig werden - und das Ganze wieder von vorne.
Viele Twitter-User*innen berichten von einer Unruhe über die noch nicht gefallene Entscheidung, die ihnen nicht nur den letzten Nerv, sondern auch viele Stunden Schlaf raubt. Andere hingegen berichten, dass sie sich auf der Arbeit schlecht konzentrieren können und alle zehn Minuten das Handy checken. Neben den deutlich langsamer gewordenen Wahl-Updates tauchen immer mehr selbst gebastelte Memes und witzige Gifs mit Referenzen zur Popkultur auf. Twitter agiert hier als Sammelbecken für Kurioses.
Jede Woche analysieren Max Böhnel und Moritz Wichmann im Gespräch mit Oliver Kern den US-Wahlkampf. Am 2. November um 18 Uhr schauen "Max und Moritz" in einem Live-Podcast auf die letzten Umfragen und erläutern aus der linken Perspektive, worauf man in der Wahlnacht und in den Tagen danach achten sollte.
Ein Beitrag, der die Internetmenschen momentan besonders fasziniert - beziehungsweise irritiert -, ist ein Video der Fernsehpredigerin Paula White, die auch Donald Trumps spirituelle Beraterin ist. In einer bizarren Rede betet sie gegen »dämonische Bündnisse« an, um Trump die Wiederwahl zu sichern, und wiederholte immer wieder ein rhythmisches »Victory, victory, victory« (Sieg, Sieg, Sieg). Das Video ist mittlerweile viral gegangen. Ein Nutzer beschrieb das Gebet als befremdlich, einen anderen inspirierte es zu einem skurrilen Remix. Unter Whites Rede wird der Rapsong »Without Me« des Musikers Eminem gelegt, in der unteren rechten Ecke wippt ein weißer Katzenkopf zum Beat. Das Internet liebt so was.
Kleine Comedyschätze finden sich ebenfalls auf Twitter. Ein Parodie-Video des Fernsehsenders Comedy Central zeigt Trump, der inmitten von Kindern auf einem Gummiball hüpft. Sein Vize Mike Pence versucht ihn zum Gehen zu bewegen. Doch es gelingt nicht. Eine Nutzerin mokierte sich über das Video: »Das sind Live-Aufnahmen aus dem Weißen Haus, wenn die Ergebnisse aus Nevada eintreffen.«
An anderer Stelle wird es auf dem Kurznachrichtendienst hingegen ernster: Befürworter*innen beider Parteien beschuldigen sich gegenseitig, die Demokratie aushebeln zu wollen. Wieder einmal wird offensichtlich, wie gespalten dieses Land derzeit ist. Einerseits wird Amtsinhaber Trump von demokratischen Sympathisant*innen vorgeworfen, vor Auszählung aller Stimmen unzulässig seinen Sieg verkündet zu haben, andererseits sind republikanische Anhänger*innen von einem Wahlbetrug überzeugt. Auf Twitter kursiert derzeit ein nicht verifiziertes Video, das eine Wahlfälschung zeigen soll. Ein Wahlhelfer wird beim Auszählen der Stimmen gefilmt; er öffnet einen Brief, liest den Inhalt, zeigt dem Papier seinen Mittelfinger, zerknüllt es und wirft das Dokument in den Müll. Für Trump-Anhänger der Beweis.
Bereits seit Wochen streut Trump immer wieder Zweifel über die Legitimität von Briefwahlen und warnt vor Wahlbetrug. In der Wahlnacht tweetete er, die Demokraten hätten versucht, die Wahl zu stehlen. Trump beschwerte sich, dass sein Vorsprung in mehreren Bundesstaaten auf »magische Art« verschwunden sei. Twitter selbst markierte diese Behauptung als Falschaussage. Insgesamt fünf seiner Tweets wurden in der Nacht von der Plattform als »umstritten und möglicherweise irreführend« markiert.
Dass diese Wahl nicht nur politische, sondern durchaus sehr persönliche Konsequenzen haben wird, zeigte eine Userin, die die Wahl aktiv bei Twitter verfolgte. Sie schrieb: »Mein Mann hat gerade Trump gewählt, deshalb reiche ich gerade die Scheidung ein.«
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.