Auch konservative Richter brauchen Beweise

Donald Trump hofft, dass ihm die US-Gerichte den Wahlsieg zusprechen, doch das ist unwahrscheinlich.

Alle drei großen Fernsehnetzwerke der USA unterbrachen ihre Übertragung. So etwas hat es noch nie gegeben. Der amtierende Präsident wird abgeschaltet, weil fast alles, was er im Presseraum des Weißen Hauses von sich gibt, falsch und gelogen ist. ABC, NBC und CBS wollten ihren Millionen Zuschauern am Donnerstagabend zur besten Sendezeit zeigen, wie Donald Trump auf seine schwindenden Wiederwahlchancen reagiert. Doch schon nach wenigen Minuten sahen sie sich gezwungen, ihre Faktenchecker einzuschalten. Die CNN-Moderatoren, die Trump hatten ausreden lassen, kämpften danach mit ihren Emotionen: »Es fällt mir schwer, mich zusammenzureißen«, sagte Dana Bash. »Was für eine traurige Nacht«, stimmte Jake Tapper ein. »Die Menschen in den USA mussten gerade mit anhören, wie ihr Präsident die Demokratie attackiert und diejenigen beschimpft, die gerade freiwillig alle Stimmen zählen.«

Für Beobachter war klar: Donald Trump versucht nur noch zu retten, was nicht mehr zu retten scheint. Wenige Stunden später verlor er seine Führung im Bundesstaat Georgia, und am nächsten Morgen katapultieren auch in Pennsylvania die erst spät ausgezählten Briefwahlstimmen seinen Kontrahenten Joe Biden nach vorn. Der Wahlsieg war dem Demokraten da kaum noch zu nehmen. Also erfand Trump »illegale Stimmen«, sprach von Wahlbeobachtern, die angeblich nicht in die Zählzentren gelassen würden. Seine Anwälte sprechen von Toten, die gewählt hätten, und von Briefwahlstimmen, die erst nach dem Wahltag angekommen seien und daher illegal gezählt würden. Für keine Anschuldigung lieferte er einen Beweis.

Dennoch kündigte Trump den Gang vor die Gerichte an. Und viele Demokraten befürchten, dass die ihm den immer unwahrscheinlicher werdenden Sieg doch noch zusprechen könnten. Schließlich hat der Republikaner in den vergangenen vier Jahren Hunderte Richter an Bundesgerichten installiert und sich mit drei neuen Richtern eine 6:3-Mehrheit am Obersten Gerichtshof gesichert. Dennoch spricht vieles dagegen, dass dem Präsidenten auf diesem Weg ein Erfolg gelingen kann.

Sein erstes Problem ist die Beweislage. Auch konservative Richter in den USA brauchen Hinweise auf Betrug, um Stimmen für ungültig zu erklären. Bislang haben Trumps Anwälte nichts dergleichen vorweisen können. Daher wurden erste Klagen in Michigan, Georgia und Pennsylvania am Donnerstag schon abgewiesen. Vereinzelte Anhänger Trumps berichten zwar von angeblich gestohlenen Briefwahlunterlagen, doch selbst wenn derlei Einzelfälle wahr wären, würden sie aller Voraussicht nach nicht ausreichen, um zum Beispiel alle Stimmen in Pennsylvania neu auszählen zu lassen. Der Oberste Gerichtshof würde eine Klage zudem auch nur annehmen, wenn alles an einem einzigen Bundesstaat hängen würde und dieser besonders knapp wäre. Wahrscheinlicher erscheint derzeit aber, dass Bidens mit Siegen in Arizona und Nevada seinen Vorsprung noch ausbauen könnte.

Trumps zweites Problem ist die fehlende Logik in seinen Argumenten: Warum sollen spät ausgezählte Stimmen in Pennsylvania betrügerisch sein, nicht aber die in Arizona, wo Trump zuletzt aufholte? Würde wirklich überall die Auszählung abrupt gestoppt werden, läge Biden vorn.

Den Juristen des Präsidenten gelangen bislang nur kleine Erfolge, als etwa ihren Wahlbeobachtern erlaubt wurde, den Wahlhelfern näher zu kommen, um deren Arbeit besser zu kontrollieren. Der Vorwurf, sie würden gar nicht zugelassen, ist falsch. In so gut wie jedem US-Wahllokal gibt es Beobachter beider Lager.

Sollten die Gerichte Trump nicht helfen, hoffen seine Anhänger auf die Parlamente der Bundesstaaten. Die wählen schließlich laut Verfassung die Wahlleute aus, die im Dezember den neuen Präsidenten wählen. Doch auch diesem Szenario steht das Gesetz im Weg. Vielmehr viele Gesetze, denn jedes Einzelparlament hat eines beschlossen, das ein Umgehen der Wahlen explizit ausschließt.

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