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China und Kambodscha - zu viel Nähe für ASEAN?
Mehrere Mitgliedsstaaten wollen nicht mehr hinnehmen, dass Phnom Phen Entscheidungen im Sinne Pekings beeinflusst
Die Vereinigung südostasiatischer Nationen (ASEAN) kämpft seit der Gründung mit dem Spagat zwischen Zusammenhalt und der Aufrechterhaltung eigener Interessen angesichts geopolitischer Herausforderungen. Zur Gründung sollte ASEAN Territorialkonflikte lösen, die im Zuge der Entkolonialisierung entstanden, dann fungiert es als anti-kommunistischer Block. Spätestens mit dem Beitritt Vietnams, Laos, Kambodschas und Myanmars in den 1990er Jahren war dies vorbei. In der ASEAN Chart wurde 2007 das Prinzip der Nichteinmischung festgeschrieben, um das Funktionieren der diversen Region als Union zu garantieren - vor allem für wirtschaftliche Zwecke.
Doch in einer Region von sozialistischen Staaten, Monarchien, Demokratien und Diktaturen mit sich teilweise diametral gegenüberstehenden Interessen sind Konflikte vorprogrammiert. In diesen Fällen bekommt die Debatte neuen Anschub, ob es in ASEAN nicht doch mehr politischen Grundkonsens geben sollte. Zuletzt gab es Ende Oktober einen neuen Auslöser für die Diskussion. Ein ehemaliger hochrangiger Diplomat aus Singapur machte bei einem akademischen Forum den Vorschlag, Kambodscha und Laos aus der ASEAN zu werfen. Als Grund nannte er deren Nähe zu China, das somit durch die zwei Mitgliedsstaaten zu viel Einfluss auf südostasiatische Politik bekäme. Als Gegenreaktion gab es einen wütenden Brief mehrerer kambodschanischer Diplomaten. In dem heißt es: »Er fabrizierte einen Wortschwall aus irreführenden und fehlerhaften Aussagen, die intellektuell täuschend und normativ schädlich für die Region sind, vor allem für ASEAN«. Auf offizieller Ebene wurde der Streit nicht kommentiert.
Chinas Aufstieg spaltet ASEAN, für manche Staaten ist er beängstigend, für andere verspricht er Profit. Vietnam hat historisch eine konfliktreiche Beziehung zu China. Obwohl beide Länder sich kulturell ähneln und sozialistische Bruderstaaten sind, herrschen in Vietnam starke antichinesische Ressentiments. Diese liegen in der 1000-jährigen Besatzung Vietnams durch China begründet und wirken durch mehrere militärische Konflikte, zuletzt in den 1970er Jahren, fort. Der Konflikt im Südchinesischen Meer befeuert Sorgen der vietnamesischen Bevölkerung um einen erneuten Angriff Chinas.
Im starken Gegensatz dazu steht Kambodscha. Premierminister Hun Sen heißt chinesische Investitionen im Land willkommen. Egal ob in der Industrie, der Infrastruktur oder Tourismus, China ist in Kambodscha omnipräsent. Das Touristenziel Sihanoukville zum Beispiel ist mittlerweile Casino-Paradies für chinesische Besucherinnen und Besucher. Dort kamen mit den Investitionen auch die chinesische Mafia - und die chinesische Polizei, da die kambodschanische den Machenschaften hilflos gegenüber stand. Ein gewisser Einfluss Chinas ist also nicht zu leugnen.
Hun Sen unterstützt chinesische Positionen in seiner Politik, auch im ASEAN-Verbund. Kambodscha verhinderte gemeinsame Resolutionen der ASEAN zum Konflikt im Südchinesischen Meer oder zur Zukunft des Mekong, beides zentrale Themen für die anderen südostasiatischen Staaten. Ähnliches tut sich in Laos und auch Myanmar balanciert zwischen eigenen und chinesischen Interessen. Mit der Initiative Neue Seidenstraße dringt China immer weiter in die Region vor.
Die Frage steht daher im Raum, wie ASEAN mit dieser globalpolitischen Frage umgehen könnte. Der Ausschluss einzelner Länder ist wohl kein realistisches Szenario, denn die ASEAN-Statuten würden den Schritt möglicherweise gar nicht zulassen. Außerdem müssten der Sinn und das Ziel einer ohnehin diversen Union komplett neu definiert werden. Eine Reform einzelner Prinzipien in ASEAN wäre leichter, zum Beispiel die Einschränkung der konsensbasierten Entscheidungsfindung. Doch auch dafür fehlt momentan der politische Wille. Stattdessen suchen Staaten ein global-politisches Gegengewicht für die Region. Dazu zählen die USA und die Quad-Länder (Australien, Indien und Japan), aber auch die EU als wichtiger Handelspartner. Die EU wiederum sucht nach einer geeigneten Linie, um sich politisch in der Region nicht selbst stumm zu schalten und trotzdem Menschenrechtsverletzungen zu ahnden. Das geschah zuletzt mit dem Entzug der Handelspräferenzen »Everything but Arms« für Kambodscha und Myanmar. Während Befürworter begrüßten, dass die EU endlich auf schwere Menschenrechtsverletzungen reagierte, kritisierten Gegner, dass der Entzug die Länder nur noch weiter wirtschaftlich in die Arme Chinas treiben würde.
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