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Äthiopien steht vor einer Zäsur
Martin Ling über den Krieg in Tigray und den ethnischen Föderalismus
Es mag stimmen, viel gewonnen ist damit noch nicht: Äthiopiens Armee hat nach eigenen Angaben die Hauptstadt Mekelle in der aufständischen Provinz Tigray im Norden des Vielvölkerstaates unter Kontrolle gebracht. Ob Äthiopiens Zentralregierung unter Ministerpräsident Abiy Ahmed damit die Provinz kontrolliert oder gar befriedet kriegt, ist fraglich. Die in Tigray regierende Volksbefreiungsfront TPLF soll in der Lage sein, in kurzer Zeit 250.000 Kämpfer zu mobilisieren. Dass sie nun einfach die Waffen niederlegen, ist nicht wirklich zu erwarten.
Selbst wenn der Friedensnobelpreisträger von 2019 den Krieg gewonnen hat, bleiben ihm alle Hände voll zu tun: Er muss die Bevölkerung in Tigray und nicht nur dort von seinem panäthiopischen Programm überzeugen - mit Argumenten, nicht mit Waffen. Bisher wird der Vielvölkerstaat durch eine Verfassung zusammengehalten, die auf einem ethnischen Föderalismus basiert und selbst das Recht auf Sezession für Regionen beinhaltet.
Dieses Konzept wurde einst maßgeblich von der TPLF durchgedrückt, nicht breit diskutiert. Und dieses Konzept hat die ethnischen Konflikte sogar noch verschärft. Äthiopiens Zukunft wird föderal sein, oder sie wird nicht sein. Der ethnische Faktor muss dafür einvernehmlich entschärft werden.
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