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Wenn es immer heißer wird
Ein besseres Verständnis der physischen Abläufe und neue Technologien können helfen, Hitzetote zu reduzieren und den steigenden Energiebedarf von Klimaanlagen zu senken.
Die Erderwärmung schreitet unvermindert voran, die letzten fünf Jahre waren die heißesten seit Beginn der Aufzeichnungen. Ernst zu nehmende Anstrengungen, dem etwas Substanzielles entgegenzusetzen, gibt es seitens Politik, Wirtschaft und großen Teilen der Zivilgesellschaft bisher nicht. Welche Prozesse Hitze im menschlichen Körper in Gang setzt und an welchen Technologien derzeit geforscht wird, um möglichst gut mit den bereits steigenden Temperaturen zurecht zu kommen, ohne den Klimawandel noch stärker zu befeuern, diesem Thema widmete das Wissenschaftsjournal »Science« im November ein Dossier.
»Intensive körperliche Betätigung kann den Körper in einen Hochofen verwandeln und damit die Hitzeproduktion auf das 15-fache steigern«, warnt darin die Biologin Elizabeth Pennisi. Damit steige das Risiko eines Bauarbeiters, an Hitze zu sterben, um das 13-fache, das eines Farmarbeiters sogar um das 35-fache gegenüber anderen Arbeiter*innen.
Dabei sei es durchaus möglich, sich an hohe Temperaturen zu gewöhnen, wenn man sich diesen schrittweise aussetze und Klimaanlagen meide, so Pennisi. Versuche des australischen Wärmephysiologen Ollie Jay zeigten überdies, dass die deutlich klimafreundlicheren und kostengünstigeren Ventilatoren bis zu einer Temperatur von 40 Grad Celsius oft genauso effizient waren wie Klimaanlagen, speziell unter Bedingungen feuchter Hitze, wo sie die Verdunstung von Schweiß förderten. Ebenfalls erfolgreich sei es, sich zur Kühlung mit kaltem Wasser zu bespritzen.
Tatsächlich werden dringend Alternativen für Klimaanlagen benötigt. Denn schon heute ist die Kühltechnik für 7,8 Prozent des weltweiten Treibhausgasausstoßes verantwortlich, weil der Strom, mit dem die Anlagen betrieben werden, immer noch weitgehend aus der Verbrennung fossiler Energieträger stammt. Die Internationale Energiebehörde (IEA) geht sogar davon aus, dass sich der Energiebedarf von Klimaanlagen in den nächsten 30 Jahren noch verdreifachen wird.
Ein weiteres Problem stellen die Kühlmittel dar: Die meisten Kompressionskältemaschinen nutzen heute Fluorkohlenwasserstoffe (FKW). Diese ersetzen die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW), die seit 1995 im Globalen Norden und seit 2010 im Globalen Süden wegen ihrer ozonschichtschädigenden Wirkung verboten sind. Die Ersatzstoffe allerdings besitzen ein erhebliches Treibhauspotenzial. Deshalb wird erneut nach Alternativen gesucht.
»Es existiert kein perfektes Kühlmittel, sodass Kompromisse bezüglich Treibhaus- und Ozonabbaupotenzial, Giftigkeit, Entflammbarkeit, Stabilität, Energieeffizienz, Systemkomplexität, Preis und Aussichten auf Verfügbarkeit auf lange Sicht ausbalanciert werden müssen«, konstatiert ein Team um Mark O. McLinden vom National Institute of Standards and Technology in Boulder (US-Bundestaat Colorado) in einer Überblickstudie zu Kühltechnologien im selben Heft. Die bevorzugte Alternative der Autor*innen sind hydrierte, fluorierte Olefine (HFO), Verbindungen mit Doppelbindungen zwischen den Kohlenstoffatomen, gemischt mit gängigen FKW, kämen sie für viele Anwendungen als Kühlmittel infrage. Aber auch »natürliche« Kühlmittel wie Ammoniak, Kohlendioxid, Propan und Isobutan würden für verschiedenerlei Gebrauch - obschon teilweise giftig oder brennbar - wieder in Erwägung gezogen.
Bis zu einem Fünftel der Energie für Klimaanlagen ließe sich durch kühlende Kleidung sparen, an der ebenfalls seit einigen Jahren geforscht wird. Nahezu alle gegenwärtig genutzten Materialien absorbieren in starkem Maße die Wärme, die der menschliche Körper freisetzt. Kühlende Textilien müssen dagegen durchlässig sein für mittlere Infrarotstrahlung, sodass die Körperwärme direkt die Kleidung passiert und an die Umgebung abgegeben werden kann. Je nach Zusammensetzung der Fasern kann der kühlende Effekt bis zu zwei Grad ausmachen, so Po-Chun Hsu und Xiuqiang Li von der US-amerikanischen Duke University. Experimentiert werde derzeit mit nanoporösem Polyethylen und anderen Kunstfasern.
Ebenfalls reduzieren ließe sich der hohe Energiebedarf von Kühlgeräten und Klimaanlagen mithilfe der Strahlungskühlung, an deren Nutzung in den letzten Jahren ebenfalls intensiv geforscht wird. Gesucht werden dabei Materialien, die bei trockener Witterung Wärme in Form von Infrarotstrahlung mit Wellenlängen von acht bis 13 Mikrometern durch das sogenannte atmosphärische Fenster ins All befördern. Da der Bedarf nach Kühlung tagsüber besonders stark ist, müssen sie zudem das Sonnenlicht reflektieren. Anderenfalls würde durch dieses bis zu zehnmal so viel Wärme eingebracht als in Form von Infrarotstrahlung abgegeben.
Bikram Bhatia vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge arbeitet daran, die Technologie marktreif zu machen. Er hält technische Polymerfilme und Beschichtungen, die Wellenlängen selektieren können, dabei für die erfolgversprechendsten Materialien. »Sie sind nicht nur kostengünstig, sondern lassen sich auch in Serie produzieren«, erklärt er. Grenzen setze dieser Technologie aber, dass sie nur in trockenen Klimazonen und bei wolkenfreiem Himmel funktioniere. »Ein weitere Beschränkung besteht darin, dass eine ziemlich große Oberfläche benötigt wird, um eine recht bescheidene Kühlungsrate zu erreichen«, so Bhatia.
Auch wenn die Forschung an Anpassungsmaßnahmen durchaus notwendig ist, sollte sie jedoch keinesfalls darüber hinwegtäuschen, dass wir alles tun müssen, um die Klimaerwärmung zu bremsen. Eine Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele ist unabdingbar, wenn wir nicht unwiderruflich auf eine Katastrophe zusteuern wollen.
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