Offene Fragen

Uwe Sattler zum Brexit – und zu einem weißen Fleck auf der Agenda

Das Ergebnis des Spitzengesprächs war dürftig. »Erhebliche Differenzen« konstatierten EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und Briten-Premier Boris Johnson nach ihrem Telefonat am Sonnabend, mit dem sie die Verhandlungen über ein geregeltes Ausscheiden des Königreichs aus der EU aus der Sackgasse führen wollten. Tags zuvor hatten die Brexit-Unterhändler die Gespräche entnervt unterbrochen. Inzwischen wird weiter verhandelt, um einen No-Deal-Abschied zu verhindern.

Die Hektik, die von beiden Seiten auf den letzten Metern bis zum endgültigen Abschied der Briten an den Tag gelegt wird, spricht für den Ernst der Lage. Ein Jahr dauern die Verhandlungen, ohne dass sich in den zentralen Fragen, wie möglichem Sozial- und Umweltdumping auf der Insel, etwas getan hätte. Ein Jahr, in dem Johnson immer wieder mit Gesprächsabbruch gedroht und sogar bereits erzielte Vereinbarung über den Haufen geworfen hatte. Ein Jahr, in dem von Brüssel stets darauf hingewiesen wurde, welch verheerende Folgen der Brexit vor allem für die Briten haben und dass die EU mit einem blauen Auge davonkommen würde.

So einfach ist es allerdings nicht. Der Zugriff Londons auf den Biontech-Impfstoff zeigt zumindest, dass die Briten ihre »neue Freiheit« zu nutzen wissen. Und es ist längst nicht klar, wer zum Schluss auf der Verliererseite stehen wird. Wahrscheinlich ist: beide Seiten. Denn die Beziehungen sind viel fester geknüpft, als manche das auf der Insel und dem Festland wahrhaben wollten. Insofern ist eine Vereinbarung nicht nur notwendig, sondern durchaus möglich. Auch, weil die EU im Umgang mit ihrem bisherigen komplizierten Mitglied Großbritannien einige Erfahrungen hat. Eine Frage bliebe allerdings auch dann – und vermutlich aus gutem Grunde – unangesprochen: Warum die EU für die Mehrheit der Briten so unattraktiv ist, dass sie einem Boris Johnson beim Brexit folgen.

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