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Weder zerbrochen noch stumm
Kunstinstallation zu Gewalt gegen Frauen ruft massive Kritik hervor
222 gleich aussehende Schaufensterpuppen sind in mehreren Reihen aufgestellt. Ihre Plastikkörper sind beklebt mit orangefarbenem Flatterband und Sprüchen wie »murdered« und »talk about it«. Diese symbolträchtige Installation des Bonner Künstlers Dennis Meseg tourt seit Ende November durch Deutschland und gastierte bereits in 17 Städten an öffentlichen Plätzen. An diesem Donnerstag stellt der Künstler sein Werk »Broken« in Berlin am Potsdamer Platz aus.
»›Broken‹ ist ein Aufruf, die Gewalt an Frauen endlich zu beenden«, heißt es auf der Webseite des Künstlers. Das ist umso wichtiger, als das Problem im öffentlichen Diskurs noch immer als Tabuthema gilt. Und das, obwohl in der Corona-Pandemie häusliche Gewalt gegen Frauen und weiblich gelesene Personen noch einmal zugenommen hat. Während der Inhalt also unstrittig ist, stößt die Form der Auseinandersetzung, die Meseg zu dieser Thematik gewählt hat, auf Kritik. Gerade junge feministische Aktivist*innen und Künstler*innen machen auf problematische Punkte des Werkes aufmerksam. Bei der Ausstellung in München kam es zu einer Protestaktion und auch für diesen Donnerstag ist in Berlin eine Demonstration angemeldet.
Kritisiert wird unter anderem der Titel der Ausstellung: »Broken«. Das englische Wort für »zerbrochen« impliziere, dass alle Gewaltopfer permanent geschädigt seien und dränge Frauen in eine Opferrolle, heißt es. Die genormten 90-60-90 Maße der Schaufensterpuppen würden darüber hinaus keinerlei Diversität in Bezug auf Gewicht und Hautfarbe bei Frauenkörpern zeigen. Außerdem berge die Installation die Gefahr einer Retraumatisierung für Opfer von Gewalt.
»In den 80ern wäre die Installation ein Erfolg gewesen. Doch heute sind wir weiter als das Narrativ, das in der Installation gezeigt wird«, sagt Laila Riedmiller, Referentin für Frauen und Geschlechtergerechtigkeit im AStA Bonn, zu »nd«. Das Referat der Universität Bonn hat ein Statement mit acht Kritikpunkten gegen die Aktion des Künstlers initiiert, das von vielen Künstler*innen und Aktivist*innen unterschrieben wurde. Es löste vor allem Internet unter dem Hashtag stillnotbroken eine Protestwelle gegen die Kunstaktion aus. Dabei gehe es inzwischen nicht mehr nur um die Installation an sich, so Laila Riedmiller: »Wir wollen einen generellen Austausch über das Opfernarrativ von Frauen in der Gesellschaft schaffen.«
»Ich kann die Kritik nachvollziehen. Aber man kann meine Installation nicht einfach umdeuten«, sagt Dennis Meseg dieser Zeitung. »95 Prozent der Kommentare sind positiv. Und die liberalen Feministinnen, die das Ganze kritisieren sind wirklich nur ein kleiner Teil.« Der Bonner Künstler spricht von einer regelrechten »Hexenjagd« gegen ihn persönlich, bei der nicht darauf gehört werde, was er eigentlich mit seiner Installation sagen wollte. Vor allem die auf Instagram geäußerte Kritik war seiner Meinung nach einfach nur beschuldigend. Deshalb habe er Kommentare auch teilweise gelöscht und Nutzer*innen auf der Social Media Plattform blockiert. Ein Schritt, der bei Akivist*innen für zusätzliche Empörung sorgte.
Die in Berlin wohnende Künstlerin Julia Schramm war eine der ersten Frauen, die über Instagram Kritik an der Installation übte. Auf ihre Anmerkungen sei Meseg nicht eingegangen und er habe ihr Profil geblockt, erzählt sie. »Dass das Verhindern von Interaktion auch eine Form von Gewalt ist, scheint der Künstler nicht zu verstehen«, sagt Schramm. Für sie wird dadurch deutlich, dass er sich mit feministischen Themen nicht genug auseinandergesetzt hat. Dass das Löschen von Kommentaren nicht die beste Reaktion auf die Kritik gewesen sei, räumt Meseg ein. Auch, dass er sich im Vorfeld nicht genug mit feministischen Themen auseinandergesetzt habe, sei ihm mittlerweile bewusst. »Ich habe mich da nicht so sehr reingehängt, wie ich es vielleicht hätte machen müssen. Das ganze Spektrum an feministischen Strömungen, das es heute gibt, war mir nicht bekannt.«
Im Begleittext zur Ausstellung heißt es: »Künstler*innen wollen nicht töten, verstümmeln oder beherrschen. Sie wollen etwas erschaffen, das gut ist.« Diese Aussage blende die strukturelle Problematik der Objektifizierung von Frauen* in der Kunst aus, heißt es in dem Statement der Kritiker*innen. Die Debatte rund um das Werk wirft damit auch die Frage nach der Verantwortung von Künstler*innen auf, die sich mit Diskriminations- und Gewaltformen auseinandersetzen, von denen sie selbst nicht betroffen sind - und den Umgang mit Kritik daran.
Die Kritiker*innen wollen auf der Demonstration gegen die Installation in Berlin auch Material zum Thema häusliche Gewalt auslegen, um auf konkrete Hilfsangebote aufmerksam zu machen und Personen auffangen zu können, bei denen die Installation eine Retraumatisierung auslösen könnte. Für Julia Schramm ist es wichtig zu betonen, dass es bei der Aktion nicht um eine Verhinderung der Ausstellung an sich geht. »Wir wollen die Kunst nicht zensieren«, sagt sie: »Aber wir wollen kritisieren.«
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