Tiefschlag für die Menschenrechte

Covid-19 verschärft bestehende Probleme: Kriege, Flucht und moderne Sklaverei

  • Ulrike Wagener
  • Lesedauer: 3 Min.

Die Corona-Pandemie ist nach Einschätzung der Vereinten Nationen weltweit ein schwerer Schlag für die Menschenrechte gewesen. »Covid-19 hat die Risse und Zerbrechlichkeit unserer Gesellschaften offengelegt und unser Versagen beim Aufbau von fairen und gerechten Gesellschaften aufgedeckt«, sagte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, am Mittwoch. Die Chilenin kritisierte Politiker, die die Pandemie herunterspielen oder Schutzmaßnahmen wie Maskentragen abtun.

Den Vorwurf muss sich die deutsche Regierung nicht machen. Außenminister Heiko Maas nahm den Tag der Menschenrechte am Donnerstag denn auch zum Anlass, um Deutschland als »Teil einer Gemeinschaft, die von den Grundprinzipien Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geleitet« darzustellen. Das unter der deutschen Präsidentschaft im Europäischen Rat beschlossene Menschenrechtssanktionsregime bezeichnete der SPD-Politiker als »Durchbruch«: »Wir können nun gemeinsam Sanktionen gegen Personen und Entitäten in Drittstaaten verhängen. Denn es kann und darf nicht sein, dass diejenigen, die schwerste Menschenrechtsverletzungen begehen, am Wochenende in Paris oder Berlin shoppen gehen oder hier bei uns ihr Geld parken«, so Maas auf der Konferenz »70 Jahre Europäische Menschenrechtskonvention - Menschenrechtsschutz in Deutschland und Europa«.

Die Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation medico international kritisierte unterdessen die europäische Flüchtlingspolitik: »Menschenrechtsverletzungen sind entgegen der Rhetorik europäischer Regierungen nicht bloß ein Problem außerhalb Europas. Vielmehr ist die Entrechtung von Flüchtlingen und Migranten auch innerhalb Europas in den letzten Jahren zum Normalzustand geworden«, so Ramona Lenz, Referentin für Flucht und Migration.

Am Dienstag hatte der »Spiegel« eine Recherche veröffentlicht, nach der Migrant*innen von Grenzschutzbehörden in Griechenland auf dem offenen Meer ausgesetzt wurden. Die Recherche legt nahe, dass in einigen Fällen die illegal in Richtung Türkei zurückgedrängten Boote zuvor von Frontex-Beamte*innen, darunter auch deutschen Bundespolizist*innen, gestoppt worden waren.

Auch die Kindernothilfe sieht die deutsche Ratspräsidentschaft weniger blumig: Sie richtete sich in einem offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und forderte sie auf, die Situation der geflüchteten Menschen auf der griechischen Insel Lesbos endlich zu verbessern: »Die Bundesregierung muss in ihrer aktuellen Funktion (...) Verantwortung übernehmen. Es ist beschämend zu sehen, dass Menschenrechte mitten in der EU so mit Füßen getreten werden«, so die Vorstandsvorsitzende Katrin Weidemann.

Derzeit sind laut Vereinten Nationen mehr als 80 Millionen Menschen vor Gewalt und Konflikten auf der Flucht, mehr als je zuvor. Trotz des Appells von UN-Generalsekretär António Guterres im März, angesichts der Corona-Pandemie weltweit die Waffen schweigen zu lassen, seien Konflikte und Verfolgung weitergegangen, beklagte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Auch die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), hatte sich am Mittwoch kritisch zu deutschen Rüstungsexporten sowie dem Streit um ein Lieferkettengesetz geäußert. Menschenrechte müssten sich »wie ein roter Faden durch alle Politikfelder ziehen«, sagte sie bei der Vorstellung der Menschenrechtspolitik der Bundesregierung. Dazu gehöre das Thema Rüstungsexporte, das sie als »sehr problematisch« ansehe.

Die menschenrechtspolitische Sprecherin der Linken, Zaklin Nastic, kritisierte als »zynisch«, dass die Bundesregierung den Bundeswehretat um 1,3 Milliarden Euro erhöhe. Stattdessen müsse die Bundesregierung »die Mittel für humanitäre Hilfe und Armutsbekämpfung weltweit deutlich aufstocken und sich für die sofortige Aufhebung von Wirtschaftssanktionen einsetzen - so wie von UN-Generalsekretär Guterres schon im Frühjahr gefordert.« Auch das Kinderhilfswerk Terre des Hommes forderte die nationalen Regierungen auf, in ihren Corona-Hilfsprogrammen besonders die ärmsten Familien mit direkten Geldzahlungen zu unterstützen. Dies sei auch eine Prävention moderner Sklaverei. Derzeit würden nach Angaben der Internationalen Arbeitsorganisation mehr als 40 Millionen Menschen als Sklaven ausgebeutet. mit Agenturen

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