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Menschenrechte wieder mal egal
Innenminister der Union wollen eine Aufhebung des Abschiebestopps nach Syrien durchsetzen
Ein Hauptthema des Treffens mit seinen Länderkollegen hat Bundesinnenminister Horst Seehofer Ende November auf die Agenda des Treffens mit seinen Länderkollegen gesetzt: Der generelle Abschiebestopp für das Bürgerkriegsland Syrien - die seit 2012 geltende Regelung läuft zum Jahresende aus - solle nicht verlängert werden. Vielmehr solle künftig zumindest bei Straftätern und sogenannten Gefährdern in jedem Einzelfall geprüft werden, ob eine Rückführung stattfinden könne.
Dabei verbietet die Sicherheitslage in dem seit neun Jahren unter militärischen Konflikten leidenden Land dergleichen auch nach der Lageeinschätzung des Auswärtigen Amtes, die Anfang dieser Woche dem Innenministerium zugeleitet wurde. Darin heißt es unter anderem: »Ungeachtet des relativen Rückgangs der Kampfhandlungen kommt es laut den Vereinten Nationen in allen Landesteilen weiterhin zu massiven Menschenrechtsverletzungen durch verschiedene Akteure.« Insbesondere in Gebieten unter Kontrolle der Regierung von Baschar al-Assad, aber auch in allen anderen Regionen Syriens seien »Individuen Risiken ausgesetzt, die eine Gefahr für Leib und Leben darstellen können«.
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Darüber hinaus leben 80 Prozent der Syrer, unter ihnen 6,6 Millionen Binnenflüchtlinge, unter der Armutsgrenze, wie der Leiter des Hilfswerks Caritas International, Oliver Müller, im Gespräch mit dieser Zeitung berichtete (»nd« vom 6.12.). Jede dritte Schule sei zerstört oder beschädigt, mehr als ein Drittel der Bevölkerung wohne »in Ruinen, Rohbauten oder anderen Notunterkünften, meist ohne fließend Wasser und Strom«.
Seehofer, seinen bayerischen Amtskollegen Joachim Herrmann (CSU) und andere Unionsminister ficht dergleichen nicht an. Herrmann stellte am Mittwoch klar: »Es wird keinen Beschluss für eine weitere Verlängerung des Abschiebestopps nach Syrien geben.« Darüber seien sich die Ressortchefs der Union, deren Sprecher Herrmann ist, einig. Das Lagebild des Auswärtigen Amtes hält er für zu undifferenziert. Dänemark etwa schiebe syrische Straftäter mit kurdischer Volkszugehörigkeit in kurdisch kontrollierte Regionen zurück, so Herrmann. Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) erklärte, der tödliche Messerangriff in Dresden am 4. Oktober habe erneut gezeigt, »wie wichtig es ist, Gefährder nach Syrien abschieben zu können«. Der Tatverdächtige soll aus Syrien stammen und war den Behörden bereits seit langer Zeit als radikaler Islamist bekannt. Auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) teilte mit, die Koalition in Potsdam - an der auch SPD und Grüne beteiligt sind - sei sich »einig, dass vollziehbar ausreisepflichtige Intensivtäter prioritär abgeschoben werden sollen«. Allerdings schlägt Stübgen als Kompromiss eine Verlängerung der geltenden Regelung um ein halbes Jahr vor.
Eine Einigung zwischen Unions- und SPD-Innenministern war am Donnerstag noch nicht abzusehen. Es gebe an diesem Punkt »wenig Kompromisslinien«, sagte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius als Sprecher der SPD-geführten Länder am Rande der Konferenz in Berlin. Abschiebungen in das Bürgerkriegsland seien schon deshalb nicht möglich, weil Deutschland keine diplomatischen Beziehungen zum Regime von Baschar al-Assad in Damaskus unterhalte. Damit fehlten auch Anlaufstellen, um eine Rückführung zu organisieren. Außerdem dürfe niemand in ein Land abgeschoben werden, in dem ihm Folter oder Tod drohten.
Unterdessen könnten sich die Sozialdemokraten wohl mit dem Vorschlag von Brandenburgs Ressortchef Stübgen anfreunden. Thüringens Innenminister Georg Maier, der zugleich aktuell die IMK leitet, hatte am Mittwoch im Deutschlandfunk gesagt, er halte dies für einen akzeptablen Kompromiss. Zugleich nannte er die von Seehofer angestoßene Debatte »populistisch« und wies auf fehlende Direktflüge und rechtsstaatliche Voraussetzungen für Abschiebungen hin. Seehofer habe nicht erklären können, wie er diese schaffen wolle. Maier betonte, Straftäter würden in Deutschland »einer gerechten Strafe« zugeführt und nicht geschützt, wie es in der Debatte suggeriert werde. »Wir können die Leute nicht mit dem Fallschirm über Syrien abwerfen«, so Maier.
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Mathias Middelberg, warf den SPD-Innenministern vor, sie machten es sich zu einfach. Zwar seien die Rückführungen tatsächlich »absehbar schwierig«, es dürfe aber keinen »Freifahrtschein« zum Bleiben für alle geben. Das wäre das falsche Signal »an alle radikalen Islamisten und Straftäter aus Syrien«. Außerdem drohe etwa Syrern, die loyal zu Präsident al-Assad stünden, nicht automatisch Verfolgung.
Politiker*innen von Linkspartei und Grünen kritisierten die Forderungen der Unionsminister scharf. Sie machten damit »Stimmung gegen Geflüchtete« insgesamt, sagte die Bundestagsabgeordnete Ulla Jelpke.
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