Vermögen besteuern, Demokratie schützen

Eine Steuer auf hohen Reichtum könnte für die Bundesländer Einahmen von über 50 Milliarden Euro generieren

  • Daniela Trochowski, Ralf Krämer, Fabio De Masi und Axel Troost
  • Lesedauer: 8 Min.

Seit Jahren nimmt die Konzentration von Vermögen zu. Die Ungleichheit bei den Vermögen ist in Deutschland laut dem französischen Starökonomen Thomas Piketty wieder auf einem Niveau wie zur Kaiserzeit. Das reichste ein Prozent besitzt rund ein Drittel des gesamten Nettovermögens. Davon entfällt mit 16 Prozent fast die Hälfte auf die reichsten 0,1 Prozent - Tendenz steigend. Diese Vermögen bestehen zu einem Großteil aus Eigentum an Unternehmen oder Anteilen daran. Die Hälfte der Bevölkerung hingegen besitzt unter dem Strich fast Nichts.

Wirtschaftliche Macht erzeugt politische Macht und gefährdet somit die Demokratie: Das Ahlener Programm der CDU von 1947 fordert die »Verhinderung der Zusammenballung wirtschaftlicher Kräfte in der Hand von Einzelpersonen, von Gesellschaften, privaten oder öffentlichen Organisationen, durch die die wirtschaftliche oder politische Freiheit gefährdet werden könnte.«

Die Autoren

Daniela Trochowski war von 2009 bis 2019 Staatssekretärin in Brandenburgs Finanzministerium, derzeit ist sie geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Rosa-Luxemburg-Stiftung.

Fabio De Masi ist stellvertretender Vorsitzender und finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Ralf Krämer ist Mitglied im Linke-Parteivorstand und Sprecher der Strömung Sozialistische Linke. Axel Troost ist stellvertretender Vorsitzender der Linkspartei. Von 2005 bis 2017 war er Mitglied des Bundestages und dort finanzpolitischer Sprecher der Linksfraktion.

Corona ist ein Brandbeschleuniger für Ungleichheit

Die Coronakrise hat die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet. Die einen haben ihren Job oder ihr Geschäft verloren. Wer auf der Suche nach Arbeit war, bleibt weiter arbeitslos. Ihre Kinder werden geringere Chancen in Deutschland haben, schlechtere Bildung erfahren und häufiger krank sein.

Auf der anderen Seite feierten Milliardäre und Multimillionäre wie die Quandts und Klattens eine Corona-Party mit massiven Vermögenszuwächsen. Während Tausende BMW-Mitarbeiter zu Kurzarbeitergeld verdonnert wurden, zogen die BMW-Eigner Hunderte Millionen Euro Dividende aus BMW-Aktien. Und der Knorr-Bremse Aktionär Heinz Hermann Thiele profitierte als Großaktionär von der Lufthansa-Rettung.

Die Vermögenden in Deutschland entstammen meist Familien, die schon vor dem Zweiten Weltkrieg zu den reichsten Deutschen gehörten. Abstammung entscheidet somit über Lebenschancen. Aber die Coronakrise erzeugt auch neue Gewinner und Verlierer. Wie Jeff Bezos, der Chef von Amazon, oder die größten Aktionäre von Pharmaunternehmen, die von der staatlichen Förderung der Impfstoffe profitieren.

Die neue Studie der Unternehmensberatung PricewaterhouseCoopers und der schweizerischen Großbank UBS zeigt, dass allein das Vermögen der 119 Dollar-Milliardäre in Deutschland seit März 2019 - trotz Krise - bis Ende Juli 2020 um 20 Prozent auf über 594 Milliarden Dollar gestiegen ist. Diese Corona-Party ist nicht das Ergebnis von Leistung, sondern von Besitz.

Gleichzeitig hat die öffentliche Verschuldung massiv zugenommen. Die Kreditobergrenze der Schuldenbremse wurde ausgesetzt, um einen noch tieferen wirtschaftlichen Einbruch abzuwenden, der Unternehmen, Arbeitsplätze und auch Steuereinnahmen vernichtet. Die Schulden im Verhältnis zur Wirtschaftskraft liegen aber ebenso wie die Zinskosten des Bundes weit unter dem Niveau der Finanzkrise. Daher wäre es möglich, langfristig aus diesen Schulden herauszuwachsen.

Die Linke will die Schuldenbremse zugunsten der goldenen Regel abschaffen, wonach Kredite nur im Umfang der Investitionen zulässig sind. Denn wenn etwa der Staat eine Universität baut, die auch noch unseren Enkelkindern nutzt, ist es nur sinnvoll, dass sich diese auch über Zinsen und Tilgungen an der Finanzierung beteiligen. Auch der Klimawandel erfordert massive staatliche Investitionen. Um extreme Anpassungskosten an die Erderwärmung für unsere Nachkommen zu vermeiden, dürfen Investitionen nicht auf die derzeitigen Steuereinnahmen begrenzt bleiben.

Gegenwärtig verdient der Staat sogar Geld mit der Kreditaufnahme, denn die Renditen auf Staatsanleihen sind negativ. Das ändert aber nichts an der Notwendigkeit einer Vermögensteuer, um dauerhaft höhere Ausgaben auch für Personal und Sozialleistungen zu finanzieren und der Ungleichheit entgegenzuwirken.

Gleichwohl will die Bundesregierung nach der Bundestagswahl zur Schuldenbremse zurückkehren. Dann droht ein Kürzungshammer bei den Staatsausgaben oder die Steuern müssen erhöht werden. Die Linksfraktion im Bundestag sowie die Rosa Luxemburg Stiftung haben daher das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) beauftragt, verschiedene Konzepte einer einmaligen Vermögensabgabe für Milliardäre und Multimillionäre (die reichsten 0,7 Prozent der Erwachsenen) durchzurechnen und zu bewerten. Eine solche Abgabe ist in Situationen besonderer Belastungen für die öffentlichen Haushalte statthaft und wurde bereits nach dem Zweiten Weltkrieg unter Kanzler Konrad Adenauer (CDU) als Lastenausgleich erhoben. Die Abgabe wird auf 20 Jahre verteilt, die Einnahmen fließen in den Bundeshaushalt.

Deutschland braucht die Vermögensteuer für Milliardäre und Multimillionäre

Wachsende Ungleichheit ist kein Naturgesetz. Das macht auch Thomas Piketty deutlich. In der Nachkriegszeit nahm die Ungleichheit ab. Neben Vollbeschäftigung mit guten Löhnen, einem starken Sozialstaat, einer Reform der Einkommensteuer und einer höheren Unternehmenssteuer setzt sich die Linke deshalb zusätzlich zu einer Vermögensabgabe für eine angemessene Besteuerung von Erbschaften sowie die Wiederbelebung einer permanenten Vermögensteuer ein.

Die Vermögensteuer ist bereits geltender Bestandteil der deutschen Finanzverfassung, wird aber seit 1997 nicht mehr erhoben. Um die massive Ungleichheit zu korrigieren, braucht die Vermögensteuer wieder einen Impuls. Damit durch die Vermögensteuer nur Milliardäre und Multimillionäre zur Kasse gebeten werden, braucht es hohe Freigrenzen für privates und betriebliches Nettovermögen (Vermögen minus Schulden). Dabei sollte der Freibetrag für Betriebsvermögen deutlich höher sein, weil dort Vermögen etwa in Form von Maschinen und Anlagen festgebunden ist und nicht einfach auf dem Konto liegt. Der Freibetrag darf aber auch nicht zu hoch sein, weil sonst Anreize verstärkt werden, den Lamborghini zum Dienstwagen oder die Luxusvilla zum Firmensitz zu deklarieren, um ihn der Besteuerung zu entziehen.

Es gibt dabei derzeit eine Faustformel: je geringer die Vermögen, desto höher der Anteil des Geldvermögens. Und desto geringer die Renditen, die auf diese Vermögen wegen des Niedrigzinsumfelds erzielt werden. Je höher die Vermögen, desto höher auch die durchschnittlichen Renditen. Zudem zeigt die Studie des DIW zur Vermögensabgabe, dass ein erheblicher Teil des Steueraufkommens bei den obersten 0,1 Prozent realisiert wird.

Daher spricht viel für einen progressiven , also ansteigenden Steuerverlauf. Das heißt: wer mehr hat, der zahlt auch höhere Steuersätze. Vereinfacht kann man davon ausgehen, dass ein Prozent Vermögensteuer auf Betriebsvermögen etwa zehn Prozent zusätzlicher Gewinnbesteuerung entsprechen. Hinzu kommen natürlich höhere Steuern für Konzerne und Spitzenverdiener gemäß des Steuerkonzepts.

Für die Vermögensteuer existieren verschiedene Vorschläge. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) schlägt einen persönlichen Freibetrag von einer Million Euro pro Person vor. Dies bedeutet, wer etwa über ein Nettovermögen von 1,1 Millionen Euro verfügt, muss nur auf 100 000 Euro die Steuer entrichten. Die Steuer beginnt mit einem Prozent und steigt bei sehr großen Vermögen auf zwei Prozent an, die ab einem Nettovermögen von einer Milliarde Euro fällig werden. Die geschätzten Einnahmen liegen bei 25 Milliarden Euro pro Jahr.

Der linke US-Senator Bernie Sanders zielt mit seinem Vorschlag für eine Vermögensteuer nur auf die reichsten 0,1 Prozent. Sanders Plan sieht eine Freigrenze von 16 Millionen Dollar pro Person vor. Wer weniger besitzt, fällt aus der Besteuerung komplett raus. Ab 16 Millionen Dollar startet die Steuer mit einem Satz von einem Prozent und steigt stufenweise an: von zwei Pozent für Nettovermögen zwischen 25 und 125 Millionen Dollar auf bis zu acht Prozent ab fünf Milliarden Dollar.

Wir schlagen einen progressiven Tarif mit einem Freibetrag für Privatvermögen von einer Million Euro pro Person vor. Wer etwa mit einer Eigentumswohnung in der Innenstadt »Papier-Millionär« ist, wird nicht belastet. Dies ist insbesondere wegen der Entwicklung der Immobilienpreise wichtig, die zu massiven Vermögenszuwächsen für Eigenheimbesitzer führten, die aber im Unterschied zu großen Immobilienhaien nicht mit hohen Renditen einhergehen.

Der Freibetrag für Betriebsvermögen könnte bei fünf Millionen Euro liegen. Dazu soll die Altersvorsorge von der Steuer ausgenommen werden. Der Eingangssteuersatz startet bei einem Prozent und steigt bis zu einem Nettovermögen von 100 Millionen Euro stetig an. Ab da greift dann der Höchststeuersatz von fünf Prozent. Das ist angemessen, weil große Vermögen besonders hohe Renditen abwerfen. Zudem ist bei sehr großen Vermögen auch eine Umverteilung zulasten von Vermögenssubstanz erforderlich. Die geschätzten Einnahmen liegen dann jährlich bei über 50 Milliarden Euro. Hinzu kommt die Vermögensabgabe von knapp 20 Milliarden Euro jährlich.

Ungleichheit reduzieren, Länder und Kommunen finanziell stärken

Die Einnahmen der Vermögensteuer würden nach Maßgabe der Verfassung an die Bundesländer fließen. Gerade dort werden zusätzliche Einnahmen gebraucht. Denn Länder und Kommunen - die staatsrechtlich Teil der Länder sind - verantworten den Löwenanteil der öffentlichen Daseinsvorsorge und Investitionen in diesem Land. Für den Neubau von Kindergärten und Schulen, den Ausbau der Pflege und des Öffentlichen Personennahverkehrs, des Gesundheitswesens, von Polizei und Rechtsschutz (Gerichtswesen, Justizvollzugsanstalten), aber auch für die Bau- und Steuerverwaltung brauchen Länder und Kommunen deutlich mehr Personal. Um dieses einstellen und angemessen bezahlen zu können, benötigen sie entsprechende Einnahmen. Die zusätzlichen Einnahmen aus der Vermögensteuer helfen, diese Lücke zu schließen. Dazu kommt: Im Gegensatz zu Einnahmen aus der Einkommen-, Umsatz- und Gewerbesteuer sind die Einnahmen aus der Vermögensteuer nicht so stark von der Konjunktur abhängig. Sie brechen also nicht weg, wenn die Wirtschaft lahmt. Das ist wichtig, denn Erzieher und Pfleger müssen auch dann bezahlt werden, wenn die Wirtschaft nicht brummt.

Wenn die ökologische Wende gelingen soll, dann muss zudem der massive Investitionsstau dringend abgebaut werden. Laut Kreditanstalt für Wiederaufbau beträgt dieser allein bei den Kommunen ganze 147 Milliarden Euro. Deutschland braucht eine Offensive bei den öffentlichen Investitionen in Bildung, Gesundheit, Energie, Verkehr und digitale Infrastruktur. Investitionen schaffen Arbeitsplätze, kurbeln private Investitionen an und schaffen Vermögen für zukünftige Generationen durch eine bessere Infrastruktur.

Umfragen zeigen: Eine große Mehrheit der Bevölkerung - Anhänger aller Parteien - unterstützt die Forderung nach Einführung einer Vermögensteuer. Je stärker sich diese auf jene konzentriert, die über Milliarden und hohe Millionenvermögen verfügen, desto mehr Unterstützung genießt sie in der Bevölkerung.

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