Papa, was soll ich hier machen?
Corona Privat
Ich will ehrlich sein. Es gab Momente, da dachte ich: Zeitungen wird es nicht mehr lange geben, und ich brauche bald einen anderen Job, der mich zur Rente bringt. Lehrer wäre doch gut: Die werden ganz gut bezahlt, in den Ferien haben sie doch immer frei, gesucht werden sie auch. Ein Quereinstieg geht ebenso.
Und dann kam Corona. Die Kombination aus Homeoffice und Homeschooling war, sagen wir: erhellend und demütigend - im ursprünglichsten Sinn des Wortes. Sie flößte mir Demut ein. Und noch viel mehr Respekt vor dem, was Lehrer jeden Tag aushalten müssen.
»Papa, was soll ich hier machen?«, war wohl die am häufigsten gestellte Frage meiner zwei Söhne im Frühsommer und nochmals in den vergangenen knapp zwei Wochen. Dabei hielten sie die Ausdrucke der online von ihren Lehrern gestellten Aufgaben in den Händen. »Steht doch da. Lies doch mal richtig!«, war meine am häufigsten genutzte Antwort, die jedoch nie den erwünschten Effekt erzielte. Am Ende musste ich die Aufgaben selbst dreimal durchlesen, bis ich glaubte, ihren Sinn erfasst zu haben. Danach versuchte ich wiederum, meinen Kindern zu erklären, was sie zu tun hatten.
Und mein Gott, was hatten sie alles zu tun: Suche geometrische Kegelformen im Haushalt! Interpretiere das Kastensystem im alten Ägypten! Lass aus einer einzelnen Bohne, einem Glas, einem Waschlappen und einem Wattebausch eine riesige Ranke wachsen! Lerne den »Erlkönig« auswendig! Translate and use the will-future in these sentences!
Und wir Eltern immer mittendrin. Was zur Hölle soll eine Bücherbox sein - oder ein Lapbook? Und wie laden wir diese Dinger jetzt im Lernraum hoch? Ach ja, was kochen wir eigentlich zum Mittag? Scheiß drauf, wir bestellen nochmal Pizza. Oder wir lassen den Großen schnell drei Döner holen. So kommt er wenigstens mal raus und hängt nicht die ganze Zeit am Handy, während wir gerade mit den Kollegen über Skype konferieren - oder in der viel zu kleinen Grafik einer Zelle die Mitochondrien suchen. Gott sei Dank, haben wir irgendwie die Weihnachtsferien erreicht. Eine dringend nötige Pause, bevor im Januar die neuen Aufgaben kommen.
Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob das Medium Zeitung die kommenden 25 Jahre überlebt, die ich bis zur Rente noch durchhalten muss. Eins hat mich die Pandemie aber definitiv gelehrt: Ich brauche einen neuen Plan B. Oliver Kern
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