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Keine dunkle Seite
Werde, wer du bist: Die zweite Staffel »The Mandalorian«
Die neuen Filme guckten Star-Wars-Enthusiasten aus denselben Gründen, aus denen umweltbewegte Menschen immer noch die Grünen wählen: einer Mischung aus Mitleid und Selbsthass und vor allem: der alten Zeiten wegen. Teil 7 bis 9 der »Krieg der Sterne« entfalteten kaum erzählerische Innovation. Mit den Star-Wars-Filmen ist es ja so: Entweder man hat sie als Kind geliebt oder sie werden sich einem nie erschließen. Wer könnte nun besser sein, um dafür zu sorgen, dass jedes Kind bereits mit den süßen Robotern in Berührung kommt, als der Disney-Konzern. Seit einiger Zeit besitzt dieser die Rechte an der Marke Star Wars, das zwar »in einer weit, weit entfernten Galaxie« handelt – und trotzdem die ganze Erde überschwemmt mit Star-Wars Produkten, von Stoffpuppen, über Kaffeebecher zu Brotschneidern mit Laserklinge. Damit dies so bleibt, hat der Disney-Konzern eine wahre Flut von neuen Produktionen angekündigt – beinah jeder Charakter, der in den vorhergegangenen Filmen nur mal über die Leinwand geflimmert ist, bekommt in den nächsten zwei Jahren eine eigene Serie – mit 10 exklusiv bei dem Streamingdienst Disney-Plus vertriebenen Serien möchte der Konzern in den nächsten beiden Jahren das Geschäft vorantreiben. Grundlage ist der Erfolg von »The Mandalorian«, eine Serie über einen Kopfgeldjäger, der versucht, sich in einer Welt einzurichten, deren Ordnung noch nicht geboren ist.
Das serielle, die immer gleiche Geschichte, die als Marke überreizt wird und noch den letzten Winkel der Welt mit seiner Erzählung besiedeln will. Ein Erfolg, der sich vor allem aus der Angst des Publikums vor Neuem speist, ein US-amerikanischer Mega-Konzern, der in einer so mächtigen Weise Kultur industrialisiert, wie es sich einige Eminenzen aus Frankfurt noch nicht haben ausmalen können. Das alles könnte und muss man kritisieren. Nur eines darf man dabei nicht unterschlagen: Disney ist verdammt gut in dem, was es tut.
Die zweite Staffel von »The Mandalorian« erzählt von einer Welt nach der Revolution. Die alte und brutale Ordnung des Imperiums ist über den Haufen geworfen, doch das Gute tut sich schwer damit, die Welt zu erfassen. Gerade an den Rändern der Galaxis herrscht Anarchie und Chaos. Alte Soldaten des bösen Imperiums rennen entweder frei herum und versuchen, die neue Ordnung zu sabotieren. »Alle denken, sie wollen Freiheit, aber was sie wirklich brauchen, ist Ordnung. Und wenn sie das verstehen, werden sie uns mit offenen Armen zurück empfangen«, sagt ein ehemaliger Imperiumssoldat, der wohl nicht zufällig auf den Namen »Hess« hört. Andere ehemalige Unterstützer der alten Ordnung büßen auf Strafkolonien für ihre Verbrechen. Ihre ehemaligen Gegner und vormalige Rebellen sitzen derweil an Schreibtischen und versuchen ihren Idealen in Gesetzestexten gerecht zu werden.
Die Hauptprotagonisten sind der ehemalige Kopfgeldjäger Din Djarin und ein ihm eher zufällig zugelaufener Findling. Für ihn eine Heimat und seinesgleichen zu finden ist der Auftrag, der die Handlung der Serie voranbringt. Das Waisenkind ist dabei so niedlich, man könnte denken, es sei erfunden worden, um als Stofftier unterm Weihnachtsbaum zu liegen. Auf dem Weg nach Hause streifen viele alte Bekannte den Weg der Protagonisten. Die Serie schafft es, die Handlung des Star-Wars-Universums nicht einfach zu wiederholen, sondern die Geschichte zu vertiefen und auszubauen. Das ist ein grundsätzliches Element von Star Wars. Als George Lucas 1977 den allerersten Film herausbrachte, wollte er ihn im Untertitel bereits »Episode 4« nennen. Die Botschaft: Star Wars war schon immer da und wird immer da sein. Damals verhinderte die Produktionsfirma die Episodennummer, zu kompliziert für die Zuschauer*innen. Erst in einer späteren Version kam der Untertitel dazu.
Es ist dies das Rezept, das »The Mandalorian« zur momentan meist gestreamten Serie macht. Sie begeistert sowohl alt gewordene Jungs und Mädels, öffnet aber auch der neuen Generation die Pforte in die Tiefen der Macht. Die Erzählweise erinnert gleichermaßen an ein Computerspiel, wie an den Topos der klassischen Heldenreise. Episodisch stoßen die ungleichen Helden auf Aufgaben, die sie abarbeiten, um ihr Hauptziel zu erreichen: nach Hause kommen. Auch technisch sprengt der Film Genregrenzen: Viele der atemberaubenden Landschaften sind mit Tecknik gefilmt, die sonst in Computerspielen vorkommt. Und das Spiel mehrerer Akteure ist im Nachhinein bearbeitet worden: alte Schauspieler werden jung und andersherum.
Die Motivationen der Protagonisten variieren, nicht alle haben das Beste im Sinne und vor allem verstehen alle etwas anderes darunter. Der Kopfgeldjäger Din Djarin erinnert an einen Westernheld aus den 50ern und nimmt, diesem Genre treu bleibend, über die meisten Folgen so gut wie keine merkbare Charakterentwicklung. Erst zum fulminanten Höhepunkt der Staffel kulminieren die Entwicklungen, die bisher an seinem verbeulten Helm abzuprallen schienen, in einer zärtlichen Version von: »Werde, wer du bist«. Die Regisseure Jon Favreau und Dave Filoni zeigen dabei am Ende, dass die dunkle Seite in einem Menschen auch ganz lieb daher kommen kann.
Es ist auch dieser Klimax, in dem sich Gut und Böse dann endlich fein voneinander trennen und sich so klar und säuberlich präsentieren wie gut sortierte Wäsche.
Die größten politische Fragen, die sich um die Star-Wars-Serie drehten, waren in den letzten Jahren folgerichtig solche der Repräsentation. Einige altgewordene Buben beschwerten sich über immer mehr fliegende Frauen und asexuelle Alien. Aber besonders progressiv ist das nicht. Im Grunde holt der Konzern etwas nach, was jahrelang vernachlässigt wurde: Er bildet die realen gesellschaftlichen Verhältnisse einigermaßen ab. Für einige Männerrechtler ist das trotzdem Anlass genug, Stunk zu machen. Eine Welt mit Frauen in Raumschiff-Führungspositionen soll es wohl nicht einmal in einer weit weit entfernten Galaxie geben.
Mit aktuellen Zeitfragen wie islamistischem Terror oder dem Wiederaufkommen des Faschismus hat die Serie nichts zu tun. Mit großem und spannungsreichem Kino aber eine ganze Menge.
»The Mandalorian« ist dabei das, was Star Wars immer war und ist: eine Geschichte, die futuristisch daher kommt und in die Ferne weist und gleichzeitig ein rührendes Relikt aus freundlicheren Zeiten ist.
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