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Nostalgie in weiß
Ein Oberhofer Biathlonweltcup mal ganz anders: mit viel Schnee und wenig Lärm
Erik Lesser ging an seinem letzten freien Tag vor dem Heimweltcup nach draußen - zum Schlittenfahren. Er darf das noch. Präsentiert sich sein Heimatort Oberhof im Thüringer Wald Anfang Januar sonst eher grün, sieht man anno 2021 nur noch weiß, wo man auch hinschaut. Dass das mal ein Problem vor dem Weltcup der Biathleten werden kann, hätte sich kaum einer denken können. Doch trotz Lockdowns waren vor wenigen Tagen Tausende Tagestouristen nach Oberhof gefahren, um auf gesperrten Skipisten wenigstens mit dem Schlitten ins Tal zu rasen. Die Zufahrtsstraßen waren verstopft wie sonst nur, wenn die Biathlonfans an die Rennstrecke zum Grenzadler pilgern.
In Corona-Zeiten, in denen die Rettungswege für Krankenwagen aber unbedingt frei bleiben müssen, kann Oberhofs Bürgermeister Thomas Schulz so etwas nicht gebrauchen. Zumal die Tagestouristen in den geschlossenen Geschäften und Restaurants auch kein Geld lassen können. Also hat er die Stadt kurz vor Beginn des Biathlonweltcups am Freitag weitgehend abgeriegelt. »Es sollen nur noch Leute Zugang haben, die hier wohnen oder arbeiten«, sagte Schulz am Montag. Auf Erik Lesser trifft beides zu.
Dabei wären Biathlonfans ohnehin nicht ins Stadion gelangt, denn der Weltcup, der schon mal 20 000 Zuschauer am Tag anlockt, wird diesmal vor leeren Rängen ausgetragen. Das ist besonders bitter, da Oberhof in der nächsten Woche auch die sonst für Ruhpolding geblockten Renntermine übernehmen durfte. Auf den besonderen Kick durch die Anfeuerungsrufe der eigenen Fans muss Lesser nun aber verzichten.
Ganz so schlimm findet er das aber auch nicht. Schließlich sei das nicht immer so einfach gewesen: »Die Fans waren eine Freude, manchmal aber auch eine Bürde, wenn man nicht so gut drauf war. Dann schämt man sich eher«, erinnert sich Lesser auch an nicht so gute Tage am Grenzadler.
Insgeheim hofft der junge Familienvater aber schon darauf, dass es mal wieder mit einer Podestplatzierung klappt. Es mag Aberglaube sein oder Nostalgie oder einfach das bewusste Erinnern an erfolgreiche Zeiten, wenn er sagt: »Meinen letzten Podestplatz hier habe ich 2017 im Massenstart geholt, als ich Martin Fourcade noch überspurtet habe und Zweiter wurde. Das war auch das letzte Mal, dass auf den umliegenden Strecken auf dem Rennsteig noch genug Schnee zum Trainieren lag.«
Die weiße Winterpracht freut derweil auch Bundestrainer Mark Kirchner. »Mir gefällt es viel besser als letztes Jahr, weil es überall weiß ist. Wir konnten in freier Natur trainieren, nicht nur in der Skihalle oder auf dem Laufband. Das bringt uns sehr viel Motivation«, so Kirchner, der zugleich Lessers Heimtrainer in Thüringen ist. Mit Zuschauern wäre es sicherlich schöner, weil die wiederum seine Athleten anfeuern würden, sagt Kirchner. Auf der anderen Seite sei ein ganz leiser Heimweltcup aber auch etwas entspannter und stressfreier für seine Mannschaft. Immerhin fallen nun auch all die Sponsorentermine in den VIP-Zelten aus. Und bei all der Partymusik aus Lautsprechern und dem Getröte der Fans hätten Kirchners Assistenztrainer etwa am legendären Birxstieg immer nur über Schreibtafeln mit den Athleten kommunizieren können, weil die dort sowieso kein Wort verstanden hätten. Das Durchgeben der Zwischenzeiten wird jetzt also ebenfalls einfacher werden.
Jenes vier Jahre zurückliegende Rennen, an das sich Erik Lesser so gern erinnert, ist noch für einen anderen Deutschen von besonderer Bedeutung. Simon Schempp hatte es damals sogar gewonnen, obwohl er mit den schwierigen Wetterbedingungen in Oberhof sonst oft seine Probleme gehabt hatte. In den Jahren danach sollte Schempp kein Rennen mehr gewinnen und sogar aus dem Weltcupteam fliegen. Nun bekommt der Bayer vom Bundestrainer eine neue Chance. In den nächsten zehn Tagen darf Schempp zeigen, ob er noch das Zeug hat, sich für die Weltmeisterschaften im Februar in Pokljuka zu qualifizieren. »Der Konkurrenzkampf ist groß. Wer im Team verbleiben will, sollte sich in der Top 15 bewegen«, hat Mark Kirchner die Richtung vorgegeben. Andererseits soll sich Schempp auch nicht wieder zu schnell unter Druck setzen. Wo genau sich der Ex-Weltmeister einsortieren werde, sei auch für die Trainer eine spannende Frage. Der 32-jährige Schempp erwarte von sich selbst keine Wunderdinge, sagte er am Dienstag. »Aber ich denke schon, dass ich ordentliche Ergebnisse einfahren kann.«
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