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- Sturm auf das Kapitol
Faschist, Terrorist oder nur ein Patriot?
Die Debatte über die Erstürmung des Kapitols wird bisher durch politische Unschärfe geprägt
Als am Mittwoch radikale Anhänger des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump das Kapitol in Washington stürmten, konnte die Welt live dabei zusehen. Amerikanische und internationale Medien sendeten direkt aus der US-Hauptstadt, Trump-Anhänger wie auch überzeugte Demokraten streamten und twitterten vom Ort des Geschehens. Noch während Polizei und Nationalgarde das Parlamentsgebäude räumten, wurde in den sozialen Netzwerken bereits diskutiert und analysiert, wer da eigentlich was genau getan hat.
Besonders viel Aufmerksamkeit bekam ein halb nackter Mann, der ein Bisonfell trug samt Hörnern auf dem Kopf. Eine groteske Inszenierung, die unweigerlich mit Spott kommentiert wurde. Twitternutzer nennen ihn ironisch »Neandertaler«, »männliches Prachtexemplar« oder »Irrsinn im Endstadium«. Ein Foto, das den Mann animalisch brüllend und mit US-Flagge sowie Megafon in den Händen zeigt, hat das Potenzial, als Meme noch Jahre durch das Internet zu spuken. Derlei popkulturelle Auseinandersetzungen mit einem Ereignis können politisch sein, oft werden sie aber auch entpolitisiert ihrem eigentlichen Kontext völlig entrissen.
Ob der Bison-Mann allerdings zum harmlosen Internet-Gag taugt, darf bezweifelt werden. Wie die ZDF-Journalistin Julia Klaus berichtet, handelt es sich bei der obskuren Gestalt um Jake Angeli, einen Anhänger der antisemitischen Verschwörungsbewegung QAnon, die unter anderem behauptet, Satanisten würden Kinder entführen und deren Blut trinken. Dass dies nicht nur wirre Spinnereien sind, fällt auf, wenn man sich näher mit Angeli befasst. Auf seiner Brust trägt er ein Tattoo, das sich aus drei Dreiecken zusammensetzt – ein sogenannter Wotansknoten. Das ist einerseits ein germanisches Symbol, aber eben auch ein Erkennungszeichen unter Neonazis. Dass diese sich vielfach am Sturm auf das Kapitol beteiligten, lässt sich durch zahlreiche Foto- und Videoaufnahmen belegen. Ein weiterer Mann etwa trägt ein schwarzes T-Shirt mit Totenschädel und der Aufschrift »Camp Auschwitz« und der NS-Parole »work brings freedom« (»Arbeit macht frei«).
Das allein wäre schon Grund genug, sich ohne jeden Zweifel von jenen zu distanzieren, die das Kapitol stürmten. Doch die US-Journalistin Catherine Ramell machte via Twitter auf eine Umfrage aufmerksam, die noch am gleichen Tag vom Meinungsforschungsinstitut Yougov unter den Amerikanern durchgeführt wurde. Die Ergebnisse zeigen, dass sich die USA in ihrem Urteil über die Ereignisse nicht einig sind. Gefragt danach, wie sie die Menschen bezeichnen würden, die gewaltsam in das Kapitol eindrangen, sagten 50 Prozent der republikanischen Wähler, es habe sich dabei um »Protestierende« gehandelt. 30 Prozent nannten diese Personen »Patrioten«, während nur 26 Prozent von »Extremisten« und lediglich 17 Prozent von »Inlandsterroristen« sprachen.
Unter den Anhängern der Demokraten ergibt sich ein völlig anderes Bild: 78 Prozent sprachen von »Inlandsterroristen«, 74 Prozent von »Extremisten«. Mögliche Einordnungen als Rechtsextremisten oder Faschisten stellt die Umfrage nicht zur Auswahl. Da mag es auch fast nicht mehr verwundern, dass der republikanische Abgeordnete Matt Gaetz behauptet, bei den Angreifern hätte es sich um »verkleidete Antifa-Terroristen« gehandelt.
Dieser selten aus Unwissenheit, aber viel zu oft absichtliche Hang, politische Ereignisse und ihre Akteure nicht eindeutig zu benennen, ist allerdings auch ein weitverbreitetes Problem in Deutschland. Während Linke-Chef Bernd Riexinger bei Twitter vor einer Gefahr durch die Neuen Rechten warnt und die Grünen-Vizin Ricarda Lang erklärt, dass man an solchen Ereignisse sehe, warum die Gesellschaft Faschisten »keine Macht, keinen Millimeter« geben dürfe, drücken sich viele Konservative vor allzu klaren Einordnungen oder verwässern diese. Berlins früherer Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) kommentiert, dass es egal sei, ob Trump, AfD oder Antifa Polarisierung und Hetze betrieben. Hamburgs CDU-Landeschef Christoph Ploß erklärt, die Ereignisse sollten eine »Warnung für uns in Deutschland sein«, und fordert eine »klare Brandmauer zur Linkspartei und zur AfD«. Hamburgs Linke fragt zu Recht zurück: »Wie verstrahlt muss man denn sein, ausgerechnet in so einem Moment gegen uns Linke zu hetzen?«
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