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Mehr Schulden oder höhere Steuern?
Bisher steht die Linkspartei mit ihrer Forderung nach einer Vermögensabgabe wegen der Corona-Kosten ziemlich alleine da
180 Milliarden Euro will Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in diesem Jahr an neuen Schulden aufnehmen. Nimmt man die rund 218 Milliarden vom vergangenen Jahr hinzu, sind das fast 400 Milliarden Euro an Schulden, die die Bundesregierung wegen der Coronakrise voraussichtlich aufnehmen muss. Da stellt sich die Frage, wie diese Kredite nach der Krise abgetragen werden sollen: durch Ausgabenkürzungen, höhere Steuern - oder hofft man, dass der Staat aus den Schulden herauswachsen kann?
Schon kurz nach dem ersten Lockdown tauchte die Frage auf: Wer zahlt für die Krise? Sowohl auf der linken wie auch auf der marktradikalen Seite ist dabei klar, wer die Rechnung begleichen soll. Bereits im Mai tönte Möchtegern-CDU-Chef Friedrich Merz: »Wir sollten nach der akuten Krise alle staatlichen Leistungen von Bund, Ländern und Gemeinden auf den Prüfstand stellen.« Er will also beim Sozialstaat den Rotstift ansetzen. Und auch bei den Arbeitgeberverbänden versucht man, Einschnitte ideologisch vorzubereiten: »Wir sind in Deutschland wieder an dem Punkt wie zu Beginn der 2000er Jahre, als Deutschland als kranker Mann Europas galt«, sagte etwa Gesamtmetall-Präsident Stefan Wolf.
Solchen Vorstößen versucht die Linkspartei mit der Forderung nach einer stärkeren Besteuerung reicher Haushalte zu begegnen, statt Ausgabenkürzung ist Einnahmenerhöhung die Devise. Ihre Bundestagsfraktion ließ sich vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in einer Studie ausrechnen, wie eine einmalige Vermögensabgabe zur Finanzierung der Coronakosten aussehen könnte. In dem von ihr favorisierten Modell will die Fraktion die reichsten 0,7 Prozent zur Kasse bitten und damit 310 Milliarden Euro zusammenbekommen. Gleichzeitig diskutiert man in der Partei, wie die Wiedereinführung einer Vermögenssteuer aussehen könnte.
Das Problem: Bisher steht die Linkspartei mit ihrer Forderung nach einer Millionärssteuer recht allein auf weiter Flur. Lediglich aus der SPD hört man ab und zu Stimmen, die eine stärkere Besteuerung der Reichen ins Spiel bringen.
Selbst beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) hat man zwar ein eigenes Konzept für eine Vermögensteuer - will aber offenbar gerade eher weniger wissen. Zumindest legt dies ein Gastbeitrag nahe, den DGB-Chef Reiner Hoffmann zusammen mit dem Grünen-Covorsitzenden Robert Habeck vergangene Woche in der »FAZ« veröffentlichte. Bei der Frage, wie mit den coronabedingten Krediten umzugehen ist, drohe die politische Linke sich in einem Widerspruch zu verheddern, schreiben die beiden. »Wenn sie vorschlägt, dass die Kredite durch neue Steuern oder Abgaben - einen neuen Soli, eine Vermögensabgabe - getilgt werden sollen, argumentiert sie implizit, dass Kreditaufnahme ein Problem sei.«
Habeck und Hoffmann eint der Wunsch, dass der Staat weder Ausgaben kürzen noch Steuern erhöhen muss, um vom Schuldenberg herunterzukommen. Stattdessen hoffen sie darauf, dass er es schafft, aus dem Schuldenberg herauszuwachsen. »Wenn man Kredite zu null Zinsen aufnehmen kann, diese Kredite nutzt, zu investieren, dadurch die Wirtschaft nach der Krise gedeiht, neue Arbeitsplätze schafft und so Steuern eingenommen werden, schrumpfen die Schulden«, schreiben sie und hoffen, dass dasselbe wie nach der Finanzkrise gelingt.
So belief sich der Schuldenstand im Jahr 2012 gemessen an der Wirtschaftsleistung auf rund 82 Prozent. Bis Ende 2019 sank er auf unter 60 Prozent. Nicht einmal ein Viertel des Rückgangs hat mit der Schuldentilgung zu tun, wie das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in seinem vergangene Woche vorgestellten Wirtschaftsausblick 2021 anführt. Der Großteil des Rückgangs beruht darauf, dass die Wirtschaftsleistung in den letzten Jahren gestiegen und so die Quote automatisch gesunken ist.
Gleichzeitig wird mit der Diskussion über die Tragfähigkeit höherer Schulden die Forderung nach höheren Steuern in den Hintergrund gerückt. Warum also die Steuern erhöhen, wenn man die Schuldenlast auch so meistern kann? Dabei setzten sich die Gewerkschaften nach der Finanzkrise noch für eine Reichensteuer sowie die Einführung einer Vermögensabgabe zur Bewältigung der Krisenkosten ein. Sie gründeten dafür mit zivilgesellschaftlichen Gruppen das »Umfairteilen«-Bündnis. »Um eine sozial gerechte Haushaltskonsolidierung und dringend notwendige öffentliche Investitionen zu gewährleisten, muss steuerpolitisch die Einnahmenseite gestärkt werden. Die Zeit ist reif für die Umverteilung«, forderte etwa im Sommer 2012 der damalige Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske.
»Mit ihrer Absage an eine Steuerdebatte würgen Habeck und Hoffmann eine Verteilungsdebatte ab, die jetzt und gerade vor der nächsten Bundestagswahl unbedingt not-wendig ist«, kommentieren die beiden Linksparteipolitiker Fabio De Masi und Axel Troost denn auch den Aufschlag von Habeck und Hoffmann. Für De Masi und Troost ist dieser vor allem machtpolitisch motiviert: »Er ist einerseits ein Signal, dass der DGB nunmehr auf die Grünen statt die SPD setzt. Die Grünen scheinen darauf hinweisen zu wollen, dass sie mit der CDU, gegebenenfalls sogar mit Herrn Merz, kaum gewillt sind, über Verteilungsfragen in den Clinch zu gehen.«
So haben Steuern nicht nur die Funktion, Einnahmen für den Staat zu generieren, sondern auch die Ungleichheit zu reduzieren. Diese Funktion erkennen Habeck und Hoffmann zwar an, wenn sie schreiben, dass es ein anderes Steuersystem brauche, um »das Problem der Ungerechtigkeit« anzugehen. Doch schieben sie dies auf die lange Bank und wollen es erst nach der Krise einführen, »sobald die wirtschaftliche Erholung wieder stabil ist«.
Dann aber wird es erfahrungsgemäß neue Gründe geben, warum man Reiche nicht höhere besteuern sollte.
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