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»Es wäre noch Platz«

Der Präsident des Landesamts für Flüchtlingsangelegenheiten Alexander Straßmeir über die Aufnahme von Geflüchteten aus dem abgebrannten Lager Lipa in Bosnien-Herzegowina

  • Marie Frank
  • Lesedauer: 6 Min.

Aus Berlin heißt es immer wieder: Wir haben Platz. Ist das so?

Wir werden Platz haben, wenn in Tempelhof die Unterkunft am Columbiadamm eröffnet wird. Daran arbeiten wir seit vielen Monaten. Dann könnten wir die Tempohomes wieder nutzen, die dort stehen und die nur knapp zwei Jahre in Gebrauch waren. Im Idealfall wären das bis zu 800 Plätze. Ansonsten haben wir in Berlin momentan rund 1000 freie Plätze. Das ist nicht viel bei knapp 20 000 Bewohnerinnen und Bewohnern.

Alexander Straßmeir

ist seit Sommer 2018 Präsident des Landesamtes für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF). Das LAF wurde 2016 gegründet, nachdem das Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso), das zuvor für die Registrierung, Versorgung und Unterbringung der in Berlin ankommenden Geflüchteten zuständig war, bundesweit zum Symbol für Versagen wurde.

Tausende Schutzsuchende, die in langen Schlangen vor der Behörde warteten und auf der Straße campierten, sollten damit der Vergangenheit angehören. Marie Frank hat mit dem CDU-Politiker darüber gesprochen, was sich in den vergangenen fünf Jahren verändert hat.

Also wäre nicht nur Platz für die 300 Geflüchteten aus Griechenland, die Berlin über das Landesaufnahmeprogramm aufnehmen will, sondern auch für 300 weitere aus Bosnien-Herzegowina, wie gefordert wird?

Nach der gegenwärtigen Lage und dem pandemiebedingt geringeren Fluchtgeschehen wäre da jetzt noch Platz. Wir wissen aber nicht, wie sich das nach Ende der Pandemie weiterentwickelt, ob es dann eine Nachholmigration nach Berlin gibt. Insgesamt haben wir eine Unterversorgung mit Unterkunftsplätzen. Weil die MUF (Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge, Anm. d. Red.), die vom Senat geplant waren, nicht in allen Bezirken errichtet worden sind.

Inwiefern Unterversorgung?

Es sollten insgesamt 38 000 MUF-Plätze in den Bezirken errichtet werden. Davon fehlen noch 7000. Der Plan war, dass jeder Bezirk zwei Standorte à 500 Plätze baut. Das ist nicht passiert. Es gab auch Bezirke, die sagen, wir haben keinen Platz. Das kann man glauben oder nicht.

Die Hälfte der Bewohner*innen in den Flüchtlingsunterkünften, also rund 10 000 Menschen, sind eigentlich Wohnungslose, für deren Unterbringung die Bezirke zuständig sind. Warum passiert das nicht?

Es ist so, dass unsere Unterkünfte einen besseren Standard bieten als die meisten Unterkünfte, die die Bezirke nutzen. Die Bezirke bringen Wohnungslose oft in Unterkünften unter, die kein Qualitätsmanagement haben wie unsere Unterkünfte. Sie bringen auch in Hostels unter, wo es weder Sozialarbeit noch psychologische Betreuung gibt. Es mangelt ganz einfach an bezirklichen Unterkünften.

Bringen Sie deshalb jetzt auch nichtgeflüchtete Wohnungslose unter?

Nächste Woche zieht eine alleinerziehende Mutter mit ihren drei Kindern aus einer Unterkunft für wohnungslose Menschen in eine Flüchtlingsunterkunft, die nicht sehr stark belegt ist. Das ist ein Modellprojekt, das wir für zukünftige Angebote analysieren werden.

In den Unterkünften bleiben die Menschen ja mitunter sehr lange. Was müsste geschehen, damit sich das ändert?

Wir brauchen schlichtweg mehr Wohnungen. Dass die Menschen in Berlin sehr lange in Unterkünften wohnen, selbst dann, wenn sie nicht mehr im Asylverfahren sind, ist der Wohnungsknappheit in Berlin geschuldet.

Bräuchte es hier eine Quote für landeseigene Wohnungsunternehmen?

Dass wir im vergangenen Jahr 2000 Menschen in Wohnungen untergebracht haben, ist bei der Knappheit eine gute Leistung. Aber angesichts der Menge, die eine Wohnung suchen, weit davon entfernt, befriedigend zu sein. Ich denke, ein größeres Wohnungsangebot ist besser, als über die Verteilung des Mangels zu streiten.

Könnte eine Quote nicht trotzdem helfen?

Am wichtigsten ist, dass neue Wohnungen gebaut werden. Menschen mit Migrationshintergrund sind bei der Wohnungssuche benachteiligt, deswegen ist eine Entspannung am Markt das, was unseren Klientinnen und Klienten am besten helfen würde.

In der Pandemie gibt es immer wieder die Forderung, Sammelunterkünfte aufzulösen, weil man dort keinen Abstand halten und sich nicht isolieren kann. Ist das realistisch?

Wir haben viele Maßnahmen ergriffen. Bewohnern von Unterkünften mit Gemeinschaftsküchen und -bädern haben wir angeboten, dass sie vorübergehend in leerstehende Tempohomes mit eigenem Bad und Küche ziehen können. Das hat keinen großen Anklang gefunden. Wir haben viel in die Hygienemaßnahmen und in Aufklärung gesteckt. Bei Infektionen haben wir die Betroffenen sofort in Teile der Unterkunft gebracht, wo sie eine eigene Küche und eine eigene Sanitäreinheit haben, oder in unseren Quarantänestandort gebracht.

Was ist mit der Unterbringung in leerstehenden Hotels?

Der Vorteil einer Unterkunft gegenüber einem Hostel oder Hotel ist, dass wir Gemeinschaftsräume und Küchen haben. Die gibt es in Hostels oft nicht. Wie sollen sich die Menschen dort versorgen? Vor allem gibt es in LAF-Unterkünften eine Betreuung durch Sozialarbeiter und Psychologen; eine Ehrenamtsstruktur, zum Beispiel Hausaufgabenhilfe für Kinder. All das fiele weg. Die Unterbringung in Hotels hört sich erst mal gut an, hat aber große Nachteile. Es wird allerdings immer wieder zu prüfen sein, ob sie in einer veränderten Lage der bessere Weg ist.

Wie läuft es mit dem Homeschooling?

Beim E-Learning ist Berlin ohnehin nicht so toll aufgestellt, für Flüchtlingskinder ist das doppelt schwierig. Ursprünglich hatten wir nur in Gemeinschaftsräumen WLAN-Zugang. Die Pandemie hat uns gelehrt, dass das nicht ausreicht. Wir wollen in allen Räumen WLAN-Zugang schaffen. Wir haben es geschafft, dass 61 unserer 78 Unterkünfte, das sind 78 Prozent, jetzt vollständig mit WLAN ausgestattet sind. Damit ist das digitale Lernen zu Hause auch für die Flüchtlingskinder möglich.

Allerdings hat nicht jedes Flüchtlingskind ein digitales Endgerät.

Es war gut, dass die Senatsverwaltung für Bildung Schülerinnen und Schülern Endgeräte zur Verfügung gestellt hat. Das hat auch einige Flüchtlingsfamilien erreicht. Aber die Zahl der Endgeräte ist noch zu gering.

Wie ist denn zurzeit die Stimmung in den Unterkünften?

Ich nehme überwiegend ein sehr vernünftiges Verhalten unserer Bewohnerinnen und Bewohner wahr. Dass das manchmal eine psychische Belastung ist, ist klar.

Wie oft werden die Bewohner*innen und die Mitarbeiter*innen getestet?

Alle Ankommenden im Ankunftszentrum werden zwei Mal getestet. Ansonsten haben Mitarbeiter und Bewohner die Möglichkeit, sich testen zu lassen, wenn es einen Anlass gibt. Wir testen nicht auf Verdacht alle durch.

Thema Impfen: Gibt es eine Impfstrategie für Flüchtlingsunterkünfte?

Ich habe mich dafür eingesetzt, dass wir die Bewohner und Bewohnerinnen der Unterkünfte, ebenso wie die Mitarbeitenden, noch weiter vorziehen, als das bisher geplant war. Ich halte es für sinnvoll, die ganze Einrichtung zur gleichen Zeit zu impfen.

Vor fast fünf Jahren wurde das LAF gegründet. Was hat sich seitdem verbessert und was muss sich noch verbessern?

Wir haben eine deutlich gestiegene Qualität unserer Unterbringung, niemand wohnt mehr in Notunterkünften, niemand wohnt mehr in Turnhallen. Die Unterkünfte die wir jetzt bauen, haben einen deutlich höheren Standard. Und wir wollen die Qualität weiter verbessern, hin zu mehr wohnähnlichen Formen und damit mehr Selbstständigkeit.

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