Furcht vor einem verlorenen Jahrzehnt

Corona-Pandemie treibt immer mehr Länder wie Sambia in Richtung der Zahlungsunfähigkeit

Sambia hat es als erstes Land erwischt: zahlungsunfähig aufgrund von Coronafolgen. Am Freitag, den 13. November 2020 musste das Land aus dem Süden Afrikas seine Zahlungsunfähigkeit erklären. Just an dem Tag, an dem sich die G20-Staaten trafen, um ein Rahmenwerk für Schuldenerlassverhandlungen zu verabschieden. Auf diese Koinzidenz der Ereignisse wies Klaus Schilder, Experte für Entwicklungsfinanzierung bei Misereor bei der Vorstellung des Schuldenreports 2021 hin, den das katholische Hilfswerk zusammen mit dem Entschuldungsbündnis Erlassjahr.de alljährlich herausgibt.

Sambia ist damit das 21. Land, das seinen Schuldendienst aus Zins und Tilgungszahlungen nicht mehr aufbringen kann. Exemplarisch ist das Land nicht. So ist der Anteil an privaten Schulden in dem afrikanischen Land wesentlich höher, und auch die Schuldenindikatoren übersteigen die von Argentinien und Ecuador, jenen beiden lateinamerikanischen Ländern, die 2020 zahlungsunfähig wurden und inzwischen eine Umschuldung mit ihren privaten Gläubigern vereinbart haben. Bei den Indikatoren handelt es sich um die öffentlichen Schulden, die Auslandsschulden sowie den Schuldendienst in Re- lation zur Wirtschaftsleistung, zu den Staatseinnahmen und den Exporteinnahmen. Leicht kritisch ist beispielsweise, wenn der Schuldendienst zwischen 15 und 22,5 Prozent der Exporteinnahmen ausmacht, sehr kritisch ist es ab über 30 Prozent. Sambia liegt bei 31,3 Prozent – 2015 waren es nur 6,6 Prozent und damit unkritisch.

Teller und Rand - der Podcast zu internationaler Politik

Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.

Sambias Wirtschaft ist stark abhängig vom Export von Kupfer, einem Metall, dessen Weltmarktpreis in den vergangenen fünf Jahren enormen Schwankungen unterlag. »Mit dem Beginn der Pandemie fiel der Preis auf einen Tiefpunkt, der die schon auf der Kippe stehende Zahlungsfähigkeit noch mehr einschränkte«, heißt es im Schuldenreport. Die Verbindung zwischen Pandemie, Rohstoffpreisen und Verschuldungskrise führte in Sambia zum Zahlungsausfall. Und eine Umschuldung, wie sie Argentinien und Ecuador erreicht haben, scheint in Sambia strategisch kompliziert, da sehr unterschiedliche Gläubiger wie der Internationale Währungsfonds, private Banken und chinesische Finanzinstitutionen auftreten. »Die Befürchtung, die jeweils anderen Gläubigergruppen könnten von einer Einigung profitieren, bewegte die Akteure bislang zu unkooperativem Verhalten«, heißt es im Report. Noch nicht eingetreten ist die Befürchtung, Sambias Default könnte eine Kettenreaktion in Afrika, einen »Debt Tsunami«, auslösen. »Was wir sehen ist, dass die Corona-Pandemie solche Länder weiter schwächt, die ohnehin schon wirtschaftlich instabil waren, beispielsweise Angola, Ecuador oder Surinam«, warnt Klaus Schilder.

Die durch die Corona-Pandemie ausgelöste globale Rezession habe in vielen Ländern zu einem dramatischen Wirtschaftseinbruch geführt, sagte Kristina Rehbein, Politische Referentin von Erlassjahr.de. »Im Vergleich zum Schuldenreport 2020 sind acht weitere Länder hinzugekommen. Die Lage hat sich damit noch einmal dramatisch verschärft«, führte Rehbein aus.

Neu dabei sind kleine Inselstaaten wie Fidschi und Trinidad & Tobago. Mit Chile, Thailand und den Philippinen befinden sich jedoch auch drei größere Schwellenländer darunter. »Viele arme Länder haben wenig Spielraum, um die Folgen der Pandemie zu bekämpfen. Die Schuldensituation begrenzt die Handlungsfähigkeit zusätzlich.«

Deutschland hat 2020 als Gläubiger im Rahmen des von der G20 angestoßenen Schuldenmoratoriums, der »Debt Service Suspension Initiative« (DSSI), Schulden von etwa 135 Millionen Euro gestundet. »Das ist grundsätzlich zu begrüßen«, so Kristina Rehbein. Die G20-Staaten hätten schnell reagiert und gemeinsam mit dem Moratorium im April 2020 einen ersten Schritt getan. Diese Maßnahmen seien aber nicht ausreichend, da damit Zahlungsverpflichtungen nur in die Zukunft verschoben würden. »Was es dringend braucht, sind echte Schuldenerlasse. Nur so lässt sich verhindern, dass die Pandemie zu einem verlorenen Entwicklungsjahrzehnt für den Globalen Süden wird«, so Rehbein.

Aus Sicht von Misereor und Erlassjahr.de zeigt die erneute Verschärfung der Schuldenkrise deutlich, dass langfristige Lösungen notwendig sind. Deutschland sollte sich während der italienischen G20-Präsidentschaft 2021 gemeinsam mit anderen Gläubigerregierungen endlich für die Einrichtung eines fairen und transparenten Staateninsolvenzverfahrens für hoch verschuldete Staaten einsetzen, wie es schon seit Jahren gefordert wird. Nicht nur Sambia würde das begrüßen. Sicher auch der Tschad, der auf der Liste der von Pleite bedrohten Staaten ganz oben geführt wird.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.