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Keine Einblicke ins V-Mann-Wesen

Wichtige Zeugen dürfen weiterhin nicht im Breitscheidplatz-Untersuchungsausschuss aussagen

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.
»Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist enttäuschend«, twitterte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic nach Bekanntwerden des Urteils am Mittwochvormittag. Im Bemühen um eine effektive Aufklärungsarbeit hatten Parlamentarier*innen von FDP, Grünen und Linken im Bundestag eine Klage eingereicht, um einen wesentlichen Zeugen – den V-Mann-Führer einer Quelle in der mittlerweile verbotenen Fussilet-Moschee – vernehmen zu dürfen. Einstimmig war diese Entscheidung nicht. Einer der sieben Richter*innen des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichtes hält das Ansinnen für begründet.

Im Breitscheidplatz-Untersuchungsausschuss ist unstrittig, dass es rund um den Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt, bei dem am 19. Dezember 2019 elf Menschen starben und mindestens 67 zum Teil schwer verletzt wurden, zu Versäumnissen der Sicherheitsbehörden kam. Nicht nur die Landespolizeien aus Berlin und Nordrhein-Westfalen standen in der Kritik, sondern auch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). Geschützt vom Bundesministerium des Innern, das für das BfV verantwortlich ist, zeigten sich viele Zeug*innen dieser Behörde oft wenig kooperationsbereit.

Wenn es darum geht, Einblicke in die Geheimdienstarbeit zu gewähren, dann ist die Bundesregierung zu Recht verschwiegen, denn es geht zumeist um das Staatswohl der Bundesrepublik und ihrer Bürger*innen. Problematisch wird diese Haltung allerdings immer dann, wenn der Eindruck entsteht, die Geheimhaltung diene eher dem Wohl der Sicherheitsbehörden, die keine Fehler einräumen wollen, als dem Staatswohl.

In der von Attentäter Anis Amri häufig und auch kurz vor dem Attentat aufgesuchten Fussilett-Moschee in Berlin-Moabit gab es einen Mann, der Informationen aus der Islamistenszene an das BfV weiter trug. Solche Quellen werden – egal ob polizeilich oder geheimdienstlich – durch sogenannte Quellenführer angeleitet. Diese sind die vorgeschalteten Kontaktpersonen der Informanten aus den beobachteten Milieus.

Die Richter*innen des Zweiten Senats folgten mehrheitlich der Sichtweise der Bundesregierung, die den Quellenschutz einforderte. Die Kooperationsbereitschaft mit dem BfV würde bei potenziellen Informanten sinken, wenn sie fürchten müssten, dass ihre V-Mann-Führer vor Untersuchungsausschüssen aussagen müssen. Daraus resultiert nun, dass dieser elementare Teil des Handelns der Sicherheitsbehörden für die Bundestagsabgeordneten nicht untersuchbar ist.

Richter Peter Müller, der von 1990 bis 2011 Ministerpräsident des Saarlandes war, kommt in seinem Sondervotum zu einer anderen Einschätzung und sieht einen erhöhten Kontrollbedarf, was den Einsatz von V-Personen angeht. Der Untersuchungsausschuss könne mit den gegebenen Einschränkungen der »herausragenden Rolle« nicht gerecht werden, die dieser bei der Kontrolle der Nachrichtendienste hat. Müller führt aus, dass die V-Person zu recht geschützt werde, jedoch die Informationen, die von ihr weitergegeben werden, müssten durchaus mit Parlamentarier*innen diskutiert werden.

Eventuelle Rückschlüsse auf die V-Person oder die oft auch im Umfeld der überwachten Szene auftretenden V-Personen-Führer*innen, könne der Untersuchungsausschuss durch die vorgesehenen Geheimhaltungsmaßnahmen reduzieren, so dass lediglich das allgemeine Risiko einer Enttarnung bliebe, dem V-Personen ohnehin ausgesetzt sind. Müller vertritt die Ansicht, dass es dem BfV und der Bundesregierung nicht zusteht, durch Geheimhaltungszusagen in die Arbeit der parlamentarischen Kontrolle einzugreifen, wenn damit »das Beweismittel der Vernehmung von V-Personen-Führern von vornherein aus der Hand geschlagen werden könne«. Auch fehle an einer nachvollziehbaren Darlegung, wo es zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Nachrichtendienste komme.

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von Daniel Lücking

In einer gemeinsamen Presseerklärung kritisierten Oppositionspolitiker*innen die Entscheidung der Richter. »Es gibt für keine Behörde und keinen Beamten rechtsfreie Räume«, sagte Martina Renner, stellvertretende Vorsitzende der Linkspartei und Obfrau im Untersuchungsausschuss. »Wie nah war eine Vertrauensperson des BfV tatsächlich am späteren Attentäter dran, welche Informationen hat die Behörde auf diesem Weg über ihn sammeln können oder es unterlassen?

Hinsichtlich dieser Fragen wäre die Bundesregierung dem Parlament, der Öffentlichkeit und vor allem den Opfern Antworten schuldig gewesen«, argumentierte Renner. Obmann Benjamin Strasser (FDP) forderte mehr Kontrolle und schlug dazu einen Nachrichtendienstbeauftragten im Bundestag vor. Dieser solle stichprobenartig die Geheimdienste überprüfen und mögliche Fehlentwicklungen melden, bevor Anschläge überhaupt verübt werden können.

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