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Ein Hauch von Normalität
Die meisten Länder öffnen die Schulen behutsam und proben Präsenzunterricht
Es geht wieder los für die meisten Grundschüler. In mittlerweile zwölf von 16 Bundesländern findet wieder Präsenzunterricht statt. Niedersachsen und Sachsen haben bereits in der vorigen Woche den Schulbetrieb wieder aufgenommen, zehn weitere Länder sind dem Beispiel am Montag gefolgt. Die Kinder brauchen also wieder einen gepackten Ranzen, Sportbeutel und Wechselklamotten in der Schule. Es ist wie beim ersten Schultag.
Und tatsächlich ist es ein Neustart nach zweimonatiger Corona-Zwangspause. Viele Schüler mussten seit Dezember ausschließlich zu Hause lernen. Jetzt gibt es in den meisten Ländern immerhin ein Wechselmodell, wonach die Kinder tageweise wieder in der Schule unterrichtet werden. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) unterstützt die behutsamen Öffnungen: »Es ist gut, dass viele Schulen jetzt schrittweise wieder mit dem Präsenzunterricht beginnen«, sagte sie der Deutschen Presse-Agentur. Präsenzunterricht sei durch nichts zu ersetzen. »Kinder, besonders jüngere, brauchen einander.« Doch auch bei vielen älteren Schülern läuft der Unterricht wieder - vor allem in den Abschlussklassen, um die Prüfungsvorbereitungen nicht zu beeinträchtigen.
Gleichwohl herrscht in wohl in jeder Klasse noch immer Ausnahmezustand, weil die Hygienepläne der Kultusministerien den Schulalltag maßgeblich bestimmen. Sie geben die Regeln vor, nach denen der Unterricht abgehalten werden muss, wo eine Maske zu tragen ist und wie viele Schüler im Klassenraum sein dürfen. Überall greift das sogenannte Kohortenprinzip, wonach die Schüler möglichst in ihren Gruppen unterwegs sein sollen, getrennt von den anderen Schülern.
Diese Öffnung fällt in eine Zeit, in der die Zahl der Infizierten bundesweit wieder leicht steigt und manche Gesuchtheitsexperten schon vor der dritten Coronawelle warnen. »Das muss auch beim Schulbetrieb bedacht werden«, sagte Karliczek. »Ich bin mir aber sicher, dass die Länder dies berücksichtigen.«
Nach wie vor unterscheiden sich die Schulkonzepte in den einzelnen Ländern. Während Schleswig-Holstein einen Schulbetrieb von einem stabilen Inzidenzwert von unter 100 für eine Öffnung zur Bedingung macht, gilt in Mecklenburg-Vorpommern der Wert von unter 50 Infizierten pro 100 000 Einwohnern innerhalb der letzten sieben Tage. Hamburg lässt dagegen die Grundschulen weiterhin zu, weil es dort ohnehin Anfang März Ferien gibt. »Für diese wenigen Tage einen Systemwechsel von Distanzunterricht mit Notbetreuung zu einem Präsenz- oder Hybridmodell zu machen, wäre schulorganisatorisch für alle Beteiligten sehr belastend gewesen«, heißt es aus dem Hause von Schulsenator Ties Rabe (SPD).
Thüringen wollte den Regelunterricht eigentlich an Grundschulen am Montag wieder aufnehmen, obwohl die Zahl der Infizierten im bundesweiten Vergleich noch immer hoch ist. Die Regierung von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) machte am Freitag aber einen Rückzieher. Jenseits eines Inzidenzwertes von 200 bleiben die Schulen weiterhin geschlossen; ab einer Inzidenz von 150 wird eine Schließung empfohlen. Im Landkreis Eichsfeld sorgte diese Regelung für Kritik. Landrat Werner Henning (CDU) fühlte sich damit in eine weitreichende Verantwortung gedrängt, die nicht in seine Zuständigkeit falle: »Ein Ermessen in medizinischen, virologischen, psychologischen, volkswirtschaftlichen, arbeitsrechtlichen oder auch noch anderen Belangen werde ich weitestgehend nicht ausüben«, erklärte er in einer Mitteilung.
Mit den Schulöffnungen ist auch eine Diskussion um eine schnellere Impfung für Lehrer und Erzieher entbrannt. Kanzlerin Angela Merkel und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU) hatten sich dafür ausgesprochen, diese Berufsgruppen höher zu priorisieren, allerdings müsste dafür die Corona-Impfverordnung geändert werden. Spahn beriet am Montagnachmittag mit den Länderkollegen darüber. Sorge über einen solchen Schritt äußerte die Stiftung Patientenschutz, die befürchtet, dass Hochbetagte und Schwerkranke dann ins Hintertreffen geraten könnten.
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