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Ein bitteres Ende

Chefdramaturg Prof. Dr. Rudolf Jürschik über die Abwicklung der Defa

  • Lesedauer: 4 Min.

Zum 75. Defa-Jubiläum erscheint der Interviewband »Im Maschineraum der Filmkunst«, in dem Prof. Dr. Rudolf Jürschik (Jahrgang 1935) im Gespräch mit Detlef Kannapin über die Filmproduktion und Filmpolitik der DDR berichtet. Jürschik bekleidete von 1977 bis zum Wendeherbst 1989 die Position des Chefdramaturgen im Defa-Spielfilmstudio. In dieser Zeit sind bedeutende Filme wie »Solo Sunny« (1980) von Konrad Wolf oder »Der Aufenthalt« (1983) von Frank Beyer entstanden. Andere ambitionierte Filmprojekte scheiterten an ökonomischen und politischen Erwägungen. Der folgende, gekürzte Textauszug aus »Im Maschinenraum der Filmkunst« gewährt einen Einblick in Jürschiks Erlebnisse in der Endphase der Defa.

Wie war das, als Sie 1989 Künstlerischer Direktor wurden? (Hans Dieter) Mäde kam irgendwann nicht mehr wieder.

Alle fragten sich, wen sie uns jetzt als neuen Generaldirektor vorsetzen werden. Doch war durch die Interimslösung schon eine Entscheidung gefallen: (Gert) Golde soll es machen. Der war aufgrund seiner Arbeitserfahrung bei der DEFA und seiner Liebe zur DEFA dazu bereit, hatte aber sofort die Bedingung gestellt: Nicht im künstlerischen Bereich, er würde das nur mit mir gemeinsam machen. Wir sind beide im September 1989 in die Funktionen berufen worden: er als neuer Generaldirektor, ich als Künstlerischer Direktor. Bloß, ich muss klipp und klar sagen: Es war nicht mehr viel zu entscheiden. Die erste Halbjahresproduktion 1990 war vorbereitet und lief an. Es gab nur noch eine Situation, die zu entscheiden war. Als kein staatliches Geld mehr da war, nichts mehr ging und feststand, dass wir Kapitalgesellschaft werden mussten, da stand die Frage, wie nun der Überlauf ins Jahr 1991 organisiert werden kann. Das musste Anfang 1990 entschieden werden. So viel Vorlauf braucht Filmproduktion.

Das Ende der DEFA war eingeläutet.

Danach ist Schluss mit dem Künstlerischen Bereich der DEFA, absolut. Wir haben uns im Künstlerischen Rat aber über Folgendes schnell verständigt: Großes geschehenes Unrecht soll, wenn es irgend geht, ausgeglichen werden. Für Volker Brauns »Unvollendete Geschichte«, die als Erzählung bereits seit 1975 vorlag, war eine neue Situation entstanden.

Das bewegte Frank Beyer, wieder vorzustoßen, und wir dachten: Das muss gemacht werden. Heiner Carow - sein »Simplicissimus« nie produziert -, der wollte den Heiduczek machen, »die Verfehlung«, na ja, da war klar: Carow ist dabei. Stein war dabei, weil Egon Günther wieder zurückgeholt werden musste. Dafür musste Vorlauf da sein. Ich habe schon im Verlauf des Jahres 1989 mit Helga Schütz erste Gespräche zu Stein gehabt. Oehme sollte die Erzählungen »Der dritte Nagel« von Hermann Kant machen. Oehme drehte einen Film, der unter nicht veränderten Bedingungen in der DDR ein Kino-Hit sondergleichen geworden wäre.

Das ist Farßmann, richtig?

Ja, »Farßmann oder zu Fuß in die Sackgasse«. Schwierig war der Vorgang mit dem Projekt »Volks Entscheid« von Karl Mickel und Siegfried Kühn, das schon recht weit in der Produktionsvorbereitung fortgeschritten war. Es wäre ein sehr teurer Film geworden. Ich war sehr für den Film, weil es Geschichtsaufarbeitung auf hochinteressante Art werden konnte. Wir wollten, wesentlich differenzierter als in den Lehrbüchern dargestellt, zeigen, wie das war, als die ersten antifaschistischen Maßnahmen nach 1945 durchgeführt wurden. Dieses Projekt hat die Studioleitung zurückgenommen. Von vielen wurde befürchtet, wir würden die Anfänge der DDR-Politik verherrlichen, was nicht der Fall war.

Schade, ein sehr interessanter Stoff.

Wir hatten einen so gewichtigen Vorlauf an Stoffen, dass der Künstlerische Direktor, also ich, im Grunde keine konzeptionelle Funktion mehr hatte. Dann kam das finsterste Kapitel für mich in dieser Zeit. Das waren die Kündigungsschreiben für die künstlerischen Mitarbeiter. Jeder bekam eine Benachrichtigung, einen Laufzettel, mit dem man durch alle möglichen Abteilungen musste, um sich bestätigen zu lassen, dass man schuldenfrei, nichts offen und alles geklärt ist. Jeder künstlerische Mitarbeiter brauchte meine Unterschrift. Die kamen alle bei mir vorbei. Was ich da erlebt habe, möchte ich nicht wiederholen, das war das Bitterste.

Wann mussten die Kündigungsschreiben unterzeichnet werden?

Das ging los mit dem Herbst 1990. Bis Ende 1990 mussten all jene gekündigt sein, die nicht in der Überläuferproduktion beschäftigt waren. Einen Mann wie Günther Rücker zu entlassen, oder Wolfgang Kohlhaase, das ist würdelos für alle Beteiligten. So etwas macht man unter normalen Umständen nicht. Dem Rücker standen Tränen in den Augen, und der sagte zu mir: »Heule nicht.« Das vergisst du nicht. Am 31. März 1991 war die Abwicklung des gesamten Künstlerischen Bereichs als Eigenproduktion, als künstlerische Eigenproduktion der DEFA, endgültig abgeschlossen.

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