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Kreuzberger Lause fordert Erbbauzins null
Um Verdrängung einzudämmen, fordern Mieter der Kreuzberger Lause vom rot-rot-grünen Senat Entgegenkommen
Dehnen und strecken – das fordern die Mieter des Kreuzberger Projektehauses Lause vom Berliner Senat und der landeseigenen BIM Berliner Immobilienmanagement GmbH mit Blick auf den Erbpachtzins. Mit entsprechenden Sportübungen wollen sie dafür diesen Dienstag zur Senatssitzung vor dem Roten Rathaus und der BIM-Zentrale am Alexanderplatz demonstrieren. Erstmals taten sie das am vergangenen Dienstag.
Es geht um den Gewerbehof und das Wohnhaus Lausitzer Straße 10/11, um deren Erhalt bereits seit Jahren gekämpft wird. Der dänische Investor Jørn Tækker wollte das Ensemble für 20 Millionen Euro verkaufen. Das wäre das Aus gewesen für den Standort zahlreicher linker Projekte wie das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum Apabiz oder das Videokollektiv Leftvision. Inzwischen ist nach beharrlichem Protest und Gesprächen klar, dass der Senat die Liegenschaft über den von der BIM verwalteten Bodenfonds übernehmen wird – für einen auf elf Millionen Euro reduzierten Kaufpreis. Allerdings hatte Tækker die Lause einst für schlappe 2,3 Millionen Euro von Berlin gekauft.
Die Gebäude sollen für einen symbolischen Euro an die Genossenschaft Eine für Alle der Lause-Nutzer gehen, das Grundstück beim Land verbleiben und für 99 Jahre an die Genossenschaft in Erbpacht vergeben werden. Drei Prozent pro Jahr soll der Zins für den Gewerbeanteil betragen, für das Wohnhaus wurde die Forderung auf zwei Prozent gesenkt.
»Die BIM bewertet alleine den Bodenwert mit elf Millionen Euro. Auf einem überspannten Markt auf dieser Basis noch drei Prozent Erbachtzins zu verlangen, ist keine soziale Bodenpolitik«, sagt Lause-Vertreter Johannes Schnettker zu »nd«. Die Erbpachtzinsen entsprächen ungefähr dem, was derzeit an Mieteinnahmen fließt. »Die Durchschnittsmiete liegt derzeit bei rund sieben Euro pro Quadratmeter nettokalt. Selbst bei einem Erbpachtzins null würden wir durch die exorbitanten Sanierungskosten auf rund zehn Euro pro Quadratmeter gehen müssen«, erläutert Schnettker.
»Unsere Genossenschaft Eine für Alle ist eine Neugründung und hat keine Rücklagen, sondern muss die Sanierung, deren Kosten den Wert des Gebäudes übersteigt, aus dem Stand selbst finanzieren«, sagt Schnettker. Der Denkmalschutz sorgt aber dafür, dass teure Holzfenster neu angefertigt werden müssen. »Einfach Plastikfenster rein, geht nicht.«
»Es ist nicht so, dass wir etwas geschenkt bekommen würden, was uns schlüsselfertig zur Verfügung gestellt wird, sondern wir gehen ins Risiko und übernehmen die Verantwortung«, sagt Johannes Schnettker. Angesichts dessen und des allgemeinen Zinsniveaus sei die »Forderung nach einem Erbpachtzins null also keineswegs aus der Luft gegriffen«.
»Bei Kultur und Sozialem müssen wir als Immobiliendienstleister keine Marktmieten nehmen. Wir müssen aber die Kostenmieten veranschlagen, die man wirtschaftlich nachweisen kann«, sagt BIM-Geschäftsführer Sven Lemiss zu »nd«. »Wenn der Senat die Leute stärker fördern will, dann kann er zum Beispiel Mietzuschüsse übernehmen, um gleichzeitig auch die Transparenz zu erhalten, wer Förderung benötigt und sie bekommt – und wer nicht«, so Lemiss weiter. Das gelte parallel auch für die Höhe des Erbpachtzinses für die Lausitzer Straße 10/11. »Wir würden die Refinanzierung an die Bank ansonsten nicht hinbekommen.«
»Die Frage ist immer: Was heißt kostendeckend? Im Prinzip entstehen dem Senat keine Kosten, weil dem Senat ja das Grundstück dauerhaft gehört«, entgegnet Johannes Schnettker. Die Frage, wie hoch die Zinsen des Senats für den Grundstücksankauf ausfallen, sei leider unbeantwortet geblieben.
Erst 2018 hat Berlin die Erbpachtzinsen allgemein für zunächst 20 Jahre halbiert, so für Wohnraum von 4,5 auf 2,25 Prozent. In Hamburg liegen sie bei nur noch 1,5 Prozent, die SPD fordert in Frankfurt am Main eine Senkung auf 0,5 Prozent,
Seit Jahren kämpft Martin Herrmann für die Pächter der Neuköllner Siedlung Neue Heimstatt. »Unsere Siedlung ist ein Lebendbeispiel, wie man bezahlbaren Wohnraum als Stadt zerstören kann. Allein im letzten Jahr ist der Bodenrichtwert unserer Siedlungen um 15 Prozent gestiegen. Das passiert maßgeblich, weil Erbpacht-Grundstücke umfangreich durch den Bezirk veräußert wurden«, so der Sprecher von Die Siedler zu »nd«. »Zu unseren Siedlungen gab es im November einen Maßgaben-Beschluss im Abgeordnetenhaus. Der Erbbauzins solle sozialverträglich auf 1,5 Prozent sinken. Auf die Umsetzung warten wir bis heute«, kritisiert Herrmann.
»Berlin sollte nun endlich den diversen Beispielen in ganz Deutschland folgen und Erbbaurecht als Instrument für bezahlbaren Wohnraum auf landeseigenen Grundstücken einsetzen«, fordert Herrmann.
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