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  • Deutsche Wohnen & Co enteignen

Enteignungsgesetze liegen in der Schublade bereit

Berliner Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen und Linksfraktion erarbeiten konkrete Vorschläge für Vergesellschaftung

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Nach Angaben der Aktivistinnen und Aktivisten der Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen könnte es derzeit kaum besser laufen. In der Nacht zu Dienstag schlossen sich Unterstützer des Volksbegehrens den Warnstreiks der IG Metall in Berlin-Marienfelde an. »Wir konnten dort reden und haben viele Unterschriften gesammelt«, sagt Michael Prütz zu »nd«, einer der Sprecher und Mitorganisatoren der Initiative. Bis zum 26. Juni ist Zeit, um die nötigen rund 174 000 Unterschriften für einen landesweiten Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Immobilienkonzerne zu erzwingen, die jeweils mehr als 3000 Wohnungen in Berlin besitzen. Der Sammelauftakt am vergangenen Wochenende lief laut Prütz »hervorragend, optimal, besser kann es gar nicht laufen«. Allein in Neukölln hätten dort aktive Sammlerinnen und Sammler über 10 000 Unterschriften gesammelt. Insgesamt sei bereits in den ersten Tagen eine »überdeutlich« fünfstellige Anzahl an Signaturen zusammengekommen.

Aber was wäre, wenn am Ende tatsächlich eine Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner für eine Vergesellschaftung stimmt und der Volksentscheid erfolgreich wäre?

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Dann wäre laut des Abstimmungstextes der Senat am Zuge, ein Gesetz zur Vergesellschaftung vorzulegen. Auf den Unterschriftenlisten heißt es zu wesentlichen Beschlüssen: »Der Senat wird aufgefordert, alle Maßnahmen einzuleiten, die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind.« Aspekte des noch zu erarbeitenden Gesetzes sind unter anderem die genaue Festlegung, welche Wohnungsbestände unter das Gesetz fallen, wie die Anstalt öffentlichen Rechts ausgestaltet werden soll, in die schätzungsweise rund 240 000 betroffenen Wohnungen für eine Entschädigungssumme von 28,8 bis 36 Milliarden Euro überführt werden sollen. So lautet zumindest die amtliche Kostenschätzung. Die Initiative selbst fordert eine Entschädigung »deutlich unter dem Verkehrswert« der Immobilien.

Gesetzliche Grundlage für das laufende Volksbegehren ist das Grundgesetz. Dort heißt es im Artikel 15: »Grund und Boden, Naturschätze und Produktionsmittel können zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt, in Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft überführt werden.« Wie das konkrete Enteignungsgesetz für die Wohnungsbestände ausgestaltet wird, obliegt dem Senat.

Sowohl die Initiative Deutsche Wohnen & Co enteignen als auch die Linksfraktion haben nach Informationen des »nd« jeweils bereits eigene Vorschläge in Arbeit, um die Debatte weiter zu fördern. »Wir haben einen eigenen Gesetzentwurf erarbeitet, den können wir hilfsweise vorlegen«, sagt Initiativen-Sprecher Prütz zu »nd«. Derzeit wird der Entwurf noch diskutiert, in ein paar Wochen könnte er öffentlich werden.

Auch die Linksfraktion will nach Informationen dieser Zeitung wohl am Sonnabend auf ihrer Fraktionsklausur einen solchen Entwurf vorstellen und gemeinsam mit der Initiative auf der Versammlung diskutieren. Klar ist: »Die Materie ist komplex und die Hürden sind hoch«, heißt es im Vorfeld aus Fraktionskreisen. Blaupausen für ein solches Gesetz gibt es nicht. Die Linksfraktion arbeitet deshalb daran, konkret Grund und Boden und Grundstücke zu benennen, die vergesellschaftet werden sollen. Diese Recherchen wird am Ende allerdings gegebenenfalls der Senat machen müssen.

Diskutiert wird in dem Entwurf überdies die Ausgestaltung der Anstalt des öffentlichen Rechts, die die Wohnungen übernehmen soll. Zu Beginn des Entwurfs, der »nd« vorab vorliegt, steht: »Vorliegend handelt es sich um einen Entwurf für die Debatte, der an einigen Stellen noch offene Punkte hat oder Entscheidungsfragen offenlässt.« Der Titel des Gesetzes lautet laut Entwurf: »Gesetz zur Überführung von Grund und Boden von Wohnungsunternehmen in Gemeineigentum/andere Formen der Gemeinwirtschaft«. Insgesamt umfasst das Dokument 31 Seiten. Ziel des Gesetzes ist es: »Durch das Ausführungsgesetz wird der Eigentumsübergang von Gesetzes wegen auf eine Anstalt öffentlichen Rechts ebenso festgeschrieben, wie Regelungen zur Aufbringung und Zahlung der nach Artikel 15 Grundgesetz notwendigen Entschädigung.« Einige Aspekte sind noch offen, weder werden konkrete Grundstücke benannt noch Entschädigungssummen beziffert. Da gibt es noch einiges zu recherchieren und diskutieren.

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