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Beretta als Profilbild
Nach antisemitischen Posts: Moscheeverbandschef tritt zurück
Der langjährige Vorsitzende des deutsch-islamischen Moscheeverbandes (Ditib) in Göttingen, Mustafa Keskin, ist nach Antisemitismusvorwürfen von seinem Amt zurückgetreten. Das bestätigte der Ditib-Landesverband Niedersachsen-Bremen am Donnerstag auf Anfrage. Keskin hatte seit Jahren in Onlinemedien Hassbotschaften gegen Juden und Armenier sowie Verschwörungstheorien verbreitet. Die sozialistische Jugendorganisation »Die Falken« hatte vor einigen Wochen einige Posts öffentlich gemacht.
So hatte Keskin israelische Soldaten etwa als »jüdische Hunde« bezeichnet und wiederholt Erkennungszeichen der islamistischen Muslimbruderschaft verwendet. Sein WhatsApp-Profil zeigte Donald Trump und Joe Biden als Marionetten des Investmentbankers Jacob Rothschild. Der Name Rothschild fungiert in antisemitischen Verschwörungsmythen seit langem als Platzhalter für »die Juden«, die über die Finanzmärkte die Welt beherrschten. Zuvor hatte Keskin eine Beretta-Pistole als Profilbild genutzt.
Der Ditib-Bundesverband distanzierte sich gestern von Keskin. Keine von dessen Meinungen würden bei einem Ditib-Funktionär »auch nur ansatzweise« geduldet, heißt es in einer Erklärung. Daher habe man »mit Nachdruck den sofortigen Rücktritt« Keskins gefordert. Dieser sei der Aufforderung nachgekommen. Gleichzeitig kündigte Ditib eine »nachhaltige Aufarbeitung« der Vorgänge an. Ditib ist die größte sunnitisch-islamische Organisation in Deutschland. Sie untersteht der Kontrolle des staatlichen Präsidiums für religiöse Angelegenheiten der Türkei, das dem türkischen Präsidenten direkt unterstellt ist. Die an staatlichen Hochschulen der Türkei ausgebildeten Ditib-Imame werden für fünf Jahre nach Deutschland geschickt und sind de facto Beamte des türkischen Staates, von dem sie auch bezahlt werden.
Als Göttinger Ditib-Chef engagierte sich Keskin jahrelang im interreligiösen Dialog. Er beteiligte sich unter anderem am seit 20 Jahren bestehenden »Runden Tisch der Abrahams-Religionen«. Delegierte der christlichen, jüdischen und muslimischen Göttinger Mitgliedsgemeinden treffen sich mehrmals im Jahr zu Gesprächen und zur Planung gemeinsamer Aktionen. Der Runde Tisch veröffentlichte 2002 einen Appell gegen den drohenden Irak-Krieg. 2018 gab es ein gemeinsames Fest, zuletzt lud man Heiligabend 2020 zu einem gemeinsamen Online-Friedensgebet ein. Auch bei anderen Gelegenheiten zeigte sich Keskin weltoffen und tolerant. So warb er auf der Webseite des Deutschen Roten Kreuzes für das Blutspenden, » weil Blut keine Nationalität und keine Grenzen kennt«.
Bei einem Besuch Göttinger Polizeiführer in der Ditib-Moschee distanzierte sich Keskin von jeglicher Gewalt. Zugleich kritisierte er eine verbreitete Islamfeindlichkeit. »Es gibt keinen radikalen Islam«, sagte er. »Es ist immer der Mensch, der die Radikalisierung vorantreibt.«
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