Mitten im Corona-Sturm

Wie in einem Tiroler PCR-Labor die Virustests ablaufen und wie deren Qualität gesichert wird

  • Reinhard Renneberg
  • Lesedauer: 4 Min.

Biotechnologie ganz praktisch: Ein PCR-Labor in Tirol. Eigentlich ist die Arbeit in einem Mikrobiologie-Labor vor allem Routine, doch im Pandemiejahr 2020/21 ist natürlich alles anders. Seit Beginn der Pandemie führt das Labor Polymerase-Kettenreaktions-Tests (PCR) auf das Sars-CoV2-Virus durch. Es gibt eine Menge Kritik an diesem Testverfahren, weil die Methode der Allgemeinheit nicht geläufig ist. Trotz alledem ist sie das wichtigste und aussagekräftigste Hilfsmittel, das wir zur Zeit haben.

Im Sommer 2020 ist die Zahl der angeforderten PCR-Tests für Sars-CoV-2 regelrecht explodiert. Die österreichische Regierung hatte zwar regelmäßige Tests im Tourismus beschlossen, ohne aber dabei die vorhandene Kapazität der Labore ausreichend zu berücksichtigen. Nicht anders als in Deutschland.

Die sechs Labormitarbeiter arbeiten im Schichtbetrieb. Jeden Tag kommen etwa 3000 bis 5000 Trockenabstriche sowie Abstriche, die bereits in einem Puffer gelöst sind oder Speichellösungen. Die sogenannten Puffer sind Chemikalien, die ein Wohlfühlmilieu für die bei der weiteren Bearbeitung eingesetzten Enzyme herstellen. Die meisten Proben werden nach dem Nasen- oder Rachenabstrich in einem Puffer gelöst und dabei inaktiviert.

Ebenso testet das Labor einmal wöchentlich Speichellösungen aus Tiroler Betrieben. Die kommen bei einem Gurgeltest für die Selbstanwendung zustande. Die Firmen testen ihre Mitarbeiter je nach Anforderung. Die Proben werden dann von unserem Kurier direkt abgeholt.

Unsere Kunden sind auch diverse Skiverbände und die Krankenhäuser in der Umgebung. Auch das Land Tirol gibt Aufträge durch die Teststationen. Somit ergibt sich eine enorme Probenzahl, die innerhalb kürzester Zeit straff abgearbeitet werden muss. Durchaus stressig.

Im Sommer gab es weniger positive Fälle, und dadurch konnten wir die Proben der Firmen, der Teststationen und des Tourismus »poolen«. Das bedeutet, wir mischen zehn Patientenproben (je 100 bis 200 Mikroliter) in einem Gefäß zusammen und verarbeiten sie dann wie gewohnt. Ist dann ein solcher Pool positiv, werden die jeweiligen Proben dieses Pools einzeln geprüft. Ist der Pool negativ, sparen wir Arbeit! So lassen sich viel mehr Proben verarbeiten.

Die Proben werden steril weiterverarbeitet, also unter UV-Licht und in speziellen Boxen, um jegliche Verunreinigungen verhindern zu können. Zum Schutz tragen wir Operationsmäntel, zwei Lagen Handschuhe und FFP3-Masken. Das muss man im Labor erst mal acht Stunden am Stück aushalten!

Am Beginn der Testung wird die Virus-RNA der Patientenproben mit verschiedenen Verfahren abgetrennt. Im letzten Schritt wird die aufgereinigte Virus-RNA aufgefangen. Das allein dauert schon ein bis zwei Stunden.

Wir verwenden auch neue, schnellere Analysemaschinen, die innerhalb von bis zu 70 Minuten ein Ergebnis liefern. Da dabei nur bis zu zwölf Proben gleichzeitig verarbeitet werden können, wird dieses System nur für sehr dringende Proben (z.B. Patienten in Krankenhäusern) verwendet.

Automaten, die 94 Proben in drei Stunden verarbeiten können, sind da besser. Die Proben werden dabei zuerst mit Hand pipettiert und kommen anschließend in das Gerät. Die PCR und ihre Auswertung macht dann das Maschinchen selbstständig. Sehr angenehm! Unserer neuester »Roboter-Zugang« kann innerhalb von 30 Minuten die RNA isolieren. Damit werden unsere doch riskanten manuellen Läufe in Zukunft reduziert.

Mit der Isolierung der RNA ist es aber nicht getan. Denn für das PCR-Verfahren ist das andere Erbmolekül, die DNA, nötig. Deshalb wird nun die RNA durch das zugesetzte Enzym Reverse Transkriptase (RT) in DNA umgeschrieben. Die anschließende PCR durchläuft maximal 40 Zyklen und vervielfältigt einzelne DNA-Stücke auf eine Anzahl von über einer Milliarde identischer Kopien. Durch einen eingebauten fluoreszierenden Farbstoff lässt sich der Anstieg der DNA-Konzentration in Realzeit messen und sofort auswerten.

Unser Testsystem ist extrem empfindlich. Wir weisen auch sehr geringe Spuren des Coronavirus nach. Aber nicht jedes Labor arbeitet eben mit derselben Technik, und so kann es vorkommen, dass weniger sensitive Geräte der Kollegen erst bei einer höheren Viruslast anschlagen.

Dadurch mussten wir auch unsere eigene Analysestrategie überdenken. Zuerst wiederholen wir alle Analysen mit einem ct-Wert von über 35. Der ct-Wert ist die Anzahl der Zyklen, die benötigt werden, um die DNA so oft zu vervielfältigen, dass das Gerät sie überhaupt detektieren kann. Je früher die DNA detektiert wird, umso kleiner ist logischerweise der ct-Wert und desto höher ist die Virusbelastung im Organismus. Wir konnten nach den Wiederholungen die meisten Patientenproben als negativ klassifizieren.

Heute haben wir mehr Erfahrungen und bewerten alle Proben mit einem ct-Wert von über 35 als »negativ«. Alle Proben mit einem ct-Wert über 34 werden wiederum überprüft und bei einem schwachen, nicht signifikanten Kurvenverlauf als »negativ« bewertet oder nochmals untersucht. Die Frage »Wann ist eine Probe positiv?« wird sehr kritisch diskutiert. Wir müssen um jeden Preis falsch-positive Proben vermeiden!

Wir geben strikt nur Proben frei, wo wir zu 100 Prozent sicher sind, dass das Ergebnis signifikant ist. Sollten auch nur allerkleinste Zweifel bestehen, werden die umstrittenen Proben auf einem anderen Maschinensystem erneut untersucht. Denn eines darf man - auch bei hohem Arbeitsaufwand und den stressigen Bedingungen des Vollschutzes - nie vergessen: Hinter jeder Probe steckt ein Mensch!»

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