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Quasi illegal
In Schweden ist der Kauf von Sex verboten. Das stigmatisiert auch Prostituierte
Menschenhandel verhindern, Gleichberechtigung herstellen, Stigmatisierung abbauen - als Schweden im Jahr 1999 das sogenannte Nordische Modell zur Sexarbeit einführte, waren damit hehre Ziele verbunden. Seitdem ist der Verkauf von Sex legal, der Kauf hingegen steht unter Strafe. Ein Modell, das die EU 2014 in einer nicht bindenden Resolution seinen Mitgliedstaaten empfahl. Nicht zuletzt auf dieser Grundlage wird ein solches Gesetz auch in Deutschland kontrovers diskutiert.
Das Nordische Modell entstand vor dem Hintergrund der Frauenbewegung und hat das dezidierte Ziel, in der Sexarbeit tätige Frauen zu schützen. Es sieht neben der Bestrafung der Freier auch eine gesellschaftliche Aufklärung über Prostitution, therapeutische Betreuung von Sexarbeiter*innen und das Aufzeigen von Perspektiven für einen möglichen Ausstieg aus der Sexarbeit vor. Die der schwedischen Politik zugrundeliegende Annahme, dass Prostituierte grundsätzlich Opfer von männlicher Ausbeutung und Unterdrückung sind, zeigte sich auch in der Reaktion auf das 2002 in Deutschland eingeführte Prostitutionsgesetz, das Sexarbeit mit anderen Berufen gleichstellte. Dies widerspräche der Gleichstellung der Geschlechter, sagte damals die schwedische Sozialdemokratin und damalige Gleichstellungsbeauftragte Margareta Winberg im schwedischen Parlament: »Eine Gesellschaft, die Prostitution als Beruf oder Wirtschaftszweig anerkennt, ist eine zynische Gesellschaft, die den Kampf für die schutzlosesten und verwundbarsten Frauen und Kinder aufgegeben hat.«
Viele Sexarbeiter*innen empfinden das allerdings als Bevormundung und Einschränkung ihrer Selbstbestimmung - auch in Schweden. Der Verein Fuckförbundet, der sich für Sexarbeiter*innen in Schweden einsetzt, betonte in einem Report 2019 die Probleme des Sexkaufverbotes: Sexarbeit würde damit grundsätzlich stigmatisiert, nicht nur der Kauf. Die Kriminalisierung von Klient*innen hätte die Arbeit nur erschwert und Prostitution in Räume gedrängt, die weniger unter polizeiliche Beobachtung fallen und daher weniger »safe spaces« sind. Der Verein meint: Das Nordische Modell bedeutet keinen Schutz, sondern verfolgt letzten Endes das Ziel, Prostitution grundsätzlich abzuschaffen, auch wenn sie freiwillig geschieht. Fuckförbundet, aber auch Amnesty International fordern deswegen die vollständige Dekriminalisierung der Prostitution, wie es in Neuseeland seit 1997 der Fall ist.
Unter den Sexarbeiter*innen gibt es allerdings auch Stimmen, die diese Forderung kritisch sehen. Die Polizei greife in der Regel nur ein, wenn es begründeten Verdacht auf Zuhälterei, Gewalt oder den Betrieb eines Bordells gäbe, berichtet Merly Åsbogård im Gespräch mit »nd«. Sie war 16 Jahre in Schweden und Dänemark in der Prostitution tätig und meint, die Polizei habe gar nicht die Ressourcen wirklich unabhängige Sexarbeiter*innen in ihrer Arbeit zu behindern. Das Gesetz sende grundsätzlich ein wichtiges Signal: »Frauen sind nicht schuld an dem Bedürfnis der Männer nach Macht und Gewalt. Sie sind nicht schuld an einem patriarchalen, rassistischen System das Profit aus dem Missbrauch und der Ausbeutung von Frauen schlägt«, erklärt Åsbogård. Für sie ist das Nordische Modell schlicht nicht perfekt umgesetzt.
Liegt es also nur an der mangelhaften Umsetzung, dass das Nordische Modell die Situation vieler Sexarbeiter*innen in Schweden nicht verbessert hat? Die Kontroverse um ein Sexkaufverbot bleibt bestehen und bildet eine viel grundsätzlichere Diskussion ab. Nämlich wie Gleichberechtigung und Selbstbestimmung von Sexarbeiter*innen in der Praxis aussehen sollen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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