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Rosa geht ins Netz

Zwischen Andacht und revolutionärem Eifer: Die Theaterwebserie »Rosa Kollektiv oder Aktiviere dein inneres Proletariat« feierte am Freitag ihr Staffelfinale – zu Ehren der Kommunistin Rosa Luxemburg

Der Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin-Mitte ist ein geschichtsbeladener Ort. Schon die regelmäßigen Umbenennungen machen das deutlich: Auf den Namen Babelsberger Platz getauft, hieß der Platz bald nach Reichskanzler Bernhard von Bülow, dann nach dem von den Nazis verehrten SA-Sturmführer Horst Wessel und war nach der Zerschlagung des Faschismus für kurze Zeit als Karl-Liebknecht-Platz bekannt. Seit 1947 ist Rosa Luxemburg die Namensgeberin, Umbenennungsplänen in den 1990er Jahren zum Trotz. Hier steht das Karl-Liebknecht-Haus, das einst der KPD gehörte und heute die Geschäftsstelle der Linkspartei beherbergt. Und hier befindet sich auch die Volksbühne, deren Bau um 1900 durch sogenannte Arbeitergroschen finanziert wurde und die in ihrer Geschichte immer wieder zum zentralen Ort avancierten politischen Theaters wurde.

Theater hat es freilich schwer seit der Verhängung der Lockdowns – und auf der Agenda der politischen Entscheidungsträger nimmt die Kultur einen weit nachgeordneten Platz ein, wenn es um ein schrittweises Zurück zur Normalität geht. Da sich aber Jubiläen nur schwer verschieben lassen und das einer Volksbühne angemessene Geschichtsbewusstsein die Würdigung von Rosa Luxemburg zu ihrem 150. Geburtstag am vergangenen Freitag gebietet, musste sich das Theaterkollektiv um Regisseur Christian Filips und Autorin Luise Meier etwas einfallen lassen.

Ursprünglich war für den 5. März eine Neuaneignung des Stücks »Rosa Kollektiv« von dem französischen antifaschistischen Dramatiker Armand Gatti vor Publikum im Großen Haus des Berliner Theaters geplant. Gattis weitgehend unbekanntes Drama aus dem Jahr 1970 zeigt die Arbeit an einer Inszenierung von Rosa Luxemburgs Leben und Sterben als Fernsehspiel, das der vorgefertigten Meinungen und Instrumentalisierungsversuche wegen scheitern muss. Die Formierung der weiblichen Studiogäste zu dem titelgebenden Rosa Kollektiv soll Luxemburg vor der anmaßenden Inanspruchnahme bewahren und macht bald klar, dass das Gedenken an die Revolutionärin Kampf bedeuten muss.

Sehr frei nach Gattis Vorlage wird seit Ende Dezember im Wochentakt je eine Folge von »Rosa Kollektiv oder Aktiviere dein inneres Proletariat« als Teil einer Webserie vom Rosa Kanal ausgestrahlt. In mittlerweile etwa neun Stunden Videomaterial werden Spuren einer geschlossenen Erzählung sichtbar, die Theatermacherinnen und -macher nähern sich in anarchischer Weise dem Wirken Rosa Luxemburgs und ihrer Ausstrahlung in die Gegenwart an. In ihrem Sinne und mit ihrem revolutionären Eifer wird mit der kleinbürgerlichen Existenz, der drohenden Klimakatastrophe, mit Flucht und Krieg im 21. Jahrhundert und der halbgaren Kapitalismuskritik derjenigen, die durch den Kauf von Gamestop-Aktien Einfluss auf den globalen Finanzmarkt zu nehmen glaubten, in einer theatralen Versuchsanordnung die Auseinandersetzung gesucht. Rein biografische Zusammenhänge werden dabei genauso vernachlässigt wie psychologisches Spiel. Geboten werden stattdessen Musik, Improvisation, einiges an Klamauk, manchmal auch bis an die Grenze des Erträglichen, und reichlich Agitprop. Ein Schauspieler sagt aus dem Off, sehr frei nach Bertolt Brechts Lehrstückmodell: »Ich spiel’ doch nicht für andere, ich spiel’ für mich selber.«

Pünktlich zu Rosa Luxemburgs 150. Geburtstag wurde das Staffelfinale unter dem Titel »R. L. Real Life« im Rahmen des Festivals »Rosa150« ausgestrahlt. Die knapp zweistündige Videoarbeit baut nicht auf den vorherigen Folgen auf, greift aber gewissermaßen stark verdichtet deren zentrale Ideen auf, und ist noch bis Ende der Woche auf der Website der Volksbühne abrufbar. Eingang haben – ganz im Sinne von Luxemburgs Internationalismus – vielzählige Stimmen von Aktivisten aus aller Welt gefunden. Das Drehbuch »Der Flug der Lerche« von Pea Fröhlich und Peter Märthesheimer, das Rainer Werner Fassbinder für eine Verfilmung der Lebensgeschichte der KPD-Begründerin nutzen sollte, das aber in der Schublade verschwand, fand szenenweise Verwendung. Auch Ernst Tollers »Weltliche Passion«, der Versuch eines rein säkularen Totengedenkens, wurde versatzstückhaft in die Folge aufgenommen. Beides erfährt eine ironische Brechung.

Weder der historisierende Blick auf höchst aktuelle Denkansätze noch die Stilisierung zu einer Heiligen ersetzen beim Rosa Kollektiv den notwendigen revolutionären Impetus. Der Historiker Jörn Schütrumpf, ein ausgewiesener Luxemburg-Kenner, bringt es bei seinem Auftritt auf den Punkt, der märtyrerhafte Tod, also die kaltblütige Ermordung der Luxemburg, habe zur Vernachlässigung ihres Lebens und vor allem ihres Werks geführt, das von ihren Feinden, aber auch von ihren sogenannten Freunden verfälscht worden sei. Zeit für einen neuen Umgang mit Rosa Luxemburg.

Die zehn Folgen von »Rosa Kollektiv oder Aktiviere dein inneres Proletariat« sind auf www.volksbuehne.berlin zu sehen.

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