Worum es uns geht

Die Linkspartei strebt im Wahljahr 2021 einen neuen Aufbruch an. Ein Gastbeitrag

  • Susanne Hennig-Wellsow und Janine Wissler
  • Lesedauer: 6 Min.

I.

Es geht um viel in diesem Jahr. Es geht darum, wer die Kosten der Coronakrise trägt und welche Lehren wir aus der Krise ziehen. Es geht um eine solidarische Zukunft.

Wir stecken ja noch immer tief in der Pandemie. Ein enormer Bedarf an Veränderungen, an Investitionen, an einem gesellschaftlichen Kraftakt ist sichtbar geworden. Viele Menschen spüren und wissen: Es kann und darf nicht einfach so weiter gehen.

Es ist Zeit für eine Linke, die Hoffnung auf Veränderung gibt. Zeit für einen neuen linken Aufbruch. Der Bundesparteitag Ende Februar war ein erster Schritt. Jetzt geht es darum, diesen Aufbruch in eine neue Dynamik zu verwandeln. Und wir laden alle dazu ein, diesen Weg mit uns zu gehen. Mit radikaler Haltung und kritischem Realismus, für einen neuen Blick nach vorn.

II.

Wir haben erlebt, welche Lücken es im Gesundheitssystem gibt. Wir haben gesehen, wie die Sorge um Kinder und Angehörige maßgeblich von Frauen im Privaten aufgefangen werden musste. Es ist noch deutlicher sichtbar geworden, wie ungerecht die Arbeit und die Lasten in dieser Gesellschaft verteilt sind und wie groß die Ungleichheit im Bildungssystem ist.

Wir haben die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und zur Abfederung der Folgen kritisiert. Wir haben aber auch gesehen, dass schnell viel Geld mobilisiert werden kann. Wenn die Regierung will. Das werden die Menschen nicht vergessen. Bei wichtigen gesellschaftlichen Herausforderungen dürfen wir uns nicht einfach auf den Markt verlassen!

Es braucht eine eingreifende Wirtschaftspolitik, Investitionen in die Infrastruktur und für den Klimaschutz. Es braucht mehr Demokratie, auch in der Wirtschaft, und den Mut, sich mit den Mächtigen und Profiteuren dieses Wirtschaftssystems anzulegen. Die Pandemie trifft zwar alle, aber sie trifft nicht alle gleich. Wir leben in einer Klassengesellschaft. Das sehen wir jeden Tag. In den Schulen, beim Arzt und in den Pflegeeinrichtungen. Bei der Frage, wer im Home-Office arbeiten kann und wer in kleinen Wohnungen mit zu hohen Mieten wohnt.

Große und kleine Träume platzen, weil sie in ungerechten Verhältnissen nicht verwirklicht werden können. Immer mehr Menschen fühlen sich ohne Geborgenheit und Absicherung. Sie haben Sorge um die nächste Vertragsverlängerung, vor der nächsten Mieterhöhung, vor Hartz IV und Altersarmut. All das müsste nicht sein. Es ist nicht ihre Schuld. Alle Menschen verdienen ein Leben in Würde.

Wir wollen einen neuen linken Aufbruch für soziale Gerechtigkeit. Wir wollen eine solidarische Grundsicherung und soziale Garantien für ein würdiges Leben im Alter. Wir wollen gut bezahlte, sinnvolle Arbeit für alle schaffen. Wir wollen, dass diejenigen, die mit ihrer Arbeit diese Gesellschaft am Laufen halten, endlich die verdiente Anerkennung erhalten. Wir setzen uns mit Leidenschaft dafür ein, dass niemand zurückgelassen wird. Dafür braucht es mehr als kleine Korrekturen.

Uns geht es um die Würde und die Zukunftsträume der Vielen, um wirkliche Freiheit, die ein starkes soziales Fundament braucht. Es geht uns um mehr Eigensinn im Osten, statt weiter auf den bloßen Nachbau West zu setzen. Es geht um neue Chancen für ländliche Regionen und alte Industriegebiete, um Neuanfänge von unten. Es geht um Abrüstung statt Kriege und ein friedliches Zusammenleben in einer sich verändernden Welt.

Wir sehen die Schmerzen und die Wut, die alltäglicher Rassismus erzeugt. Als linke Politikerinnen haben wir erleben müssen, wie sich Hass auf Andersdenkende Bahn bricht. Wir haben Naziaufmärsche blockiert und im Parlament der AfD die Stirn geboten. Antifaschismus ist für uns eine Frage der Haltung: allen Formen der Menschenfeindlichkeit den Kampf anzusagen, die Demokratie zu verteidigen - und damit auch die Voraussetzungen für linke Veränderung. Und nur mit linker Veränderung lässt sich der soziale Nährboden der Gefahr von rechts austrocknen.

III.

Wir sind solidarisch mit Streikenden, gehen zusammen mit Fridays for Future, Black Lives Matter und den Omas gegen rechts auf die Straße. Mit Gewerkschaften streiten wir für höhere Löhne, gute Arbeit und mehr Mitbestimmung hin zur Demokratisierung der Wirtschaft. Diese Solidarität der Vielen ist ein Pol der Hoffnung. Wir stärken das Engagement derjenigen, die gegen Ungleichheit aufbegehren - vor Ort, in den Bewegungen, in den Parlamenten und aus der Regierung heraus.

Vor uns liegen wichtige Landtagswahlen. Es ist nicht egal, wer in Sachsen-Anhalt, Berlin, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern regiert. Denn links entscheidet mit, es kommt auf uns an. Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg brauchen endlich eine linke Opposition im Landtag. Auch in vielen Kommunen wird 2021 gewählt. Eine starke Linke vor Ort ist wichtig für lebenswerte Gemeinden.

Im Herbst steht die erste Bundestagswahl nach der Ära Merkel bevor. Dort werden Weichen für die Zukunft dieses Landes gestellt und damit auch für den Weg, den Europa geht. Wir kämpfen für andere gesellschaftliche Mehrheiten. Viele Menschen haben sich noch nicht entschieden. Viele Menschen haben zuletzt nicht mehr gewählt. Wir sehen darin auch einen Auftrag, sie für linke Politik zu begeistern. Denn wir wissen, dass große Mehrheiten in diesem Land für soziale Gerechtigkeit und konsequenten Klimaschutz sind. Hier liegt für uns Linke eine Verantwortung: das Potenzial für Veränderungen zu nutzen.

Unser Auftrag ist es, nicht nur das Richtige zu sagen, sondern auch auszustrahlen, das und wie man es durchsetzen kann. Wir kämpfen dafür, dass das längst Überfällige an sozialen Veränderungen auch verwirklicht wird. Druck von der Straße braucht Adressaten und Verstärker im Parlament. Und Politik in Institutionen braucht den Treibstoff des gesellschaftlichen Aufbruchs, um voranzukommen. Die Linke ist kompromissbereit, was die Schrittlänge angeht. Aber die Richtung des Schrittes muss stimmen.

IV.

Wir wissen darum, dass eine solche Politik der Veränderung im Sinne der Gesellschaft auf die Widerstände mächtiger Interessen stoßen wird. Es ist demokratiegefährdend, wenn zehn Prozent der Menschen zwei Drittel des Vermögens besitzen. Kapitalismus ist aber im Grundgesetz nicht festgeschrieben. Dort steht aber verbürgt, das Eigentum dem Gemeinwohl verpflichtet und die Menschenwürde unantastbar ist. Die kapitalistische Eigentumsordnung stellt die Erfolge sozialer Politik immer wieder infrage, weshalb auch das System verändert werden muss. Wir wollen Einstiege in einen sozialen und ökologischen Systemwandel. Unsere Vision ist der demokratische Sozialismus.

Unsere Politik ist radikal, weil sie die Wurzel der Probleme nicht ausblendet, und sie ist pragmatisch, weil wir auf die Durchsetzung von konkreten Verbesserungen orientiert sind. Wir wollen wirkliche Veränderung. Wir wollen linke Verlässlichkeit demonstrieren und zeigen: Wir machen einen Unterschied. Es lohnt sich.

Wir haben als Linke tolle Menschen als Mitstreiter*innen. Vertrauen wir uns, damit andere uns vertrauen. Verändern auch wir uns, damit Veränderung gelingt. Radikal und realistisch. Für einen neuen linken Aufbruch.

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