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Kampfeinsätze beenden - doch wo?
Beim Thema Bundeswehr und Auslandsmissionen patzte Susanne Hennig-Wellsow im Interview. Ein Fest für Konservative
Nach gut 100 Minuten Interview näherte sich Susanne Hennig-Wellsow im Gespräch mit dem bei Youtube bekannten Journalisten Tilo Jung dem Themenkomplex Militär. »Für Kapitel 6[-Einsätze] wäre ich offen, aber nicht für Kampfeinsätze«, sagt Hennig-Wellsow, nachdem sie bereits über die prinzipielle Bereitschaft gesprochen hatte, diese UN-Einsätze je nach Zielrichtung auch zu befürworten. Es ist eine leichte Abkehr von der bisher pauschal geäußerten Ablehnung aller Auslandseinsätze, die in der Linken lange Jahre Grundkonsens war. »Welche Kampfeinsätze würdest du denn jetzt beenden?«, will Jung wissen. »Da muss ich ehrlicherweise sagen, die hab ich nicht alle einzeln im Blick«, räumt Hennig-Wellsow ein. Sie versucht aber dennoch, annähernd zu antworten. Was folgt, ist für konservative Medien, wie auch für den Deutschen Bundeswehrverband sogleich der Beleg dafür, dass die Linke nicht regierungsfähig sei.
Selbst der Blick auf die Karte an Einsätzen, die die Bundeswehr auf ihrer Seite zur Verfügung stellt, reicht nicht aus, um sofort eine Antwort geben zu können.: Von Nord nach Süd listet die Armee insgesamt 19 laufende Einsätze auf. Zum Einsatz in Estland heißt es: »Die Bundeswehr beteiligt sich seit September 2020 für acht Monate an der NATO-Mission Verstärkung Air Policing Baltikum«. Ob das ein »Kampfeinsatz« ist, ist auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Marineeinsätze in Nordsee, Atlantik, mehrere im Mittelmeer bis in den Indischen Ozean. Den Begriff »Kampfeinsatz« sucht man in der Übersicht der maritimen Einätze ebenso vergeblich wie bei den Einsätzen im Kosovo, Irak, Afghanistan, dem Südsudan oder in Mali. Stets geht es um Friedenssicherung, Beobachtermissionen oder Unterstützung. Dass auch bei den UN-Einsätzen genau hingeschaut werden muss, zeigen die Einsätze in Mali: Neben der EU-Trainings-Mission gibt es den UN-Minusma-Einsatz. Vorgeblich dient diese Mission der Sicherung des Friedens. Zeitgleich findet in Mali aber auch ein französischer Einsatz statt, der immer wieder in kriegerische Handlungen und Bombardements mündet.
Definitionsgemäß ließe sich herbeireden, dass deutsche Truppen hier nur an einem UN-Friedenseinsatz mitwirken, würden nicht zeitgleich im Rahmen der EU-Mission malische Militärs durch deutsche Soldaten für den Kampfeinsatz ausgebildet. Der Unterschied dürfte für die Bevölkerung vor Ort keine Rolle spielen. Ein ähnliches Konstrukt sorgte seinerzeit in Afghanistan für eine kaum vornehmbare Abgrenzung zwischen dem damaligen ISAF-Einsatz und der Kriegsmission »Enduring Freedom«. Ad absurdum führt sich die Bundeswehr auch immer dann, wenn deutsche Spezialkräfte mit us-amerikanischen Elitesoldaten in eigentlich deutschen Friedenseinsatzgebieten agieren. Eine pauschale Absage, wie bislang durch die Linke praktiziert, ist angesichts dieser undurchsichtigen Verwebungen nur konsequent.
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