Hindenburgstraße bleibt Hindenburgstraße

Im niedersächsischen Northeim lehnt eine breite Koalition von CDU bis AfD Benennung nach Sophie Scholl ab

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

In der südniedersächsischen Stadt Northeim gibt es eine Hindenburgstraße. Zeitgleich mit dem Adolf-Hitler-Wall und der Göringstraße bekam die frühere Bergstraße ihren Namen im April 1933, kurz nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten. Während die Namen Hitler und Göring kurz nach Ende des Zweiten Weltkrieges als Namensgeber verschwanden, blieb Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg, 1925 bis zu seinem Tod 1934 Reichspräsident, unangetastet.

Doch nun sei es höchste Zeit für einen neuen Namen, finden SPD, Grüne und Linke im Northeimer Stadtrat. Die Hindenburgstraße solle künftig Sophie-Scholl-Straße heißen, forderten die Parteien in einem Antrag. Die Umbenennung solle zum 100. Geburtstag der Widerstandskämpferin am 9. Mai dieses Jahres erfolgen. Doch der Vorstoß scheiterte. CDU, FDP, AfD und die Freie Unabhängige Liste lehnten den Antrag mit 19 gegen 15 Stimmen von SPD, Grünen und Linke ab.

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Grünen-Ratsherr Hans Harer, der den Antrag initiiert und am 25. Februar ins Kommunalparlament eingebracht hatte, sagte, Hindenburg, dem 1933 gemeinsam mit Hitler und Göring auch die Ehrenbürgerwürde der Stadt Northeim verliehen worden war, verdiene keine Ehrung. In den beiden letzten Jahren des Ersten Weltkriegs hatte Hindenburg als Chef der Obersten Heeresleitung quasi diktatorisch die Regierungsgewalt ausgeübt. Im Herbst 1918 erklärte er, der Krieg sei nicht mehr zu gewinnen. Vor dem Untersuchungsausschuss der Weimarer Nationalversammlung verbreitete er 1919 die sogenannte Dolchstoßlegende, wonach das Heer »im Felde unbesiegt« von den Novemberrevolutionären und linken Politikern durch einen Waffenstillstand »von hinten erdolcht« worden sei. Mit der Behauptung trug er zu Legitimationsverlust und Destabilisierung der Weimarer Republik ebenso wie zur Ausbreitung des Antisemitismus bei, was wiederum den Aufstieg der Faschisten beförderte. Als Reichspräsident ernannte er am 30. Januar 1933 Hitler zum Reichskanzler.

Die Northeimer CDU-Fraktion brachte zur betreffenden Ratssitzung einen Gegenantrag ein. Darin schlägt sie vor, dass die Bürger parallel zur Kommunalwahl am 12. September entscheiden können, ob die Straße umbenannt werden soll. Zugleich sprachen sich die Christdemokraten gegen eine Umbenennung aus. Zwar könne die Rolle Hindenburgs bei der Machtübernahme Hitlers »als mitentscheidend angesehen« werden, auch heiße man »die Handlungen von 1933« nicht gut. Aber: Hindenburg sei nun einmal »Teil der deutschen Geschichte«. »Löschen wir nun diesen Namen aus dem Stadtbild, so löschen wir Teile unserer Erinnerungskultur aus, die uns anhält, uns mit dem Thema im Alltag auseinanderzusetzen.« Im Übrigen müsse im Fall einer Umbenennung die Frage der Kostenübernahme für die Anwohner geklärt werden, so die CDU. In der Hindenburgstraße wären 94 Haushalte und drei Arztpraxen betroffen. Tatsächlich entstehen für eine Ummeldung im Bürgerbüro keine Kosten. Ärzte können Ausgaben für neue Visitenkarten und Ähnliches von der Steuer absetzen.

In der Ratssitzung wurde zunächst über den Antrag von SPD und Grünen abgestimmt. Nach der Ablehnung zog die CDU ihren Antrag zurück. Eine Bürgerbefragung wird es also nicht geben. »Gegen unseren Antrag haben sich alle ohne Ausnahme rechts von der SPD versammelt«, sagte Ratsherr Harer. Inhaltlich sei nicht darüber diskutiert worden: »Man faselte von der Entsorgung der Geschichte, verwies auf den Bürgerwillen und zog dann die Forderung nach der Befragung aller Bürger zurück.« Unterm Strich habe der Rat mit Mehrheit einen Ehrungsbeschluss des NS-Stadtrats vom April 1933 bestätigt, der eindeutig mit Hindenburgs Verhalten bei der Machtübertragung an Hitler im Zusammenhang gestanden habe, konstatierte Harer.

Aus Sicht des Grünen-Stadtrats eifern die Northeimer Christdemokraten ihren Parteifreunden in der Landeshauptstadt Hannover nach. Auch dort hat sich die CDU lange gegen die Umbenennung der Hindenburgstraße gewehrt. SPD, Grüne und Linken konnten aber durchsetzen, dass sie künftig Loebensteinstraße heißt. Die neue Namensgeberin Lotte-Lore Loebenstein lebte als Kind einer jüdischen Familie in der Straße und wurde 1943 in einem Konzentrationslager ermordet.

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