Die Anführer sind zurück

Weil Olympia ruft, spielen viele deutsche Handballstars wieder fürs Nationalteam

Für den deutschen Handball steht das wohl wichtigste Wochenende der kommenden Jahre an. In Berlin will sich die Nationalmannschaft für die Olympischen Spiele von Tokio qualifizieren. Die Frauen haben ihr Qualifikationsturnier durch Platz acht bei der WM 2019 denkbar knapp verpasst, also müssen die Männer die komplette olympische Pleite des Deutschen Handballbundes (DHB) verhindern. Glaubt man Spielern, Trainern und Funktionären, ist jedoch alles dafür angerichtet, dass diese Mission gelingt.

»Dieses Turnier ist elementar wichtig. Der Anspruch ist die Präsenz unserer Sportart bei Olympia. Und jeder wird alles dafür tun«, sagt DHB-Vizepräsident Bob Hanning. Sollte es nicht klappen, sagt er »ein Mannschaftssterben« im Nachwuchs voraus. Viele Kinder hätten pandemiebedingt nicht in ihren Vereinen Sport treiben können. Um sie in den kommenden Monaten zur Rückkehr zu bewegen, brauche es die Präsenz deutscher Mannschaften bei Olympia, »damit wir später keine Monokultur des Fußballs haben«, so Hanning.

Spaß und Verantwortung

Olga Hohmann versteht nicht, was Arbeit ist und versucht, es täglich herauszufinden. In ihrem ortlosen Office sitzend, erkundet sie ihre Biografie und amüsiert sich über die eigenen Neurosen. dasnd.de/hohmann

Für den zum Saisonende beim DHB ausscheidenden Hanning steht bei der Olympiaqualifikation viel auf dem Spiel. Er war es schließlich, der vor vielen Jahren das Ziel Olympiagold in Tokio öffentlich vorgegeben hatte. Nach Platz zwölf bei der WM im Januar in Ägypten war er dafür erneut kritisiert worden. Doch Hanning hält am Ziel fest: »Das ist das Ziel, hinter dem wir uns vor sieben Jahren versammelt haben. Es gibt keinen Grund davon abzurücken, nur weil das Ziel jetzt zeitlich näher kommt. Natürlich gilt das Augenmerk aber erst mal der Qualifikation.«

Dafür muss in Berlin gegen Vizeweltmeister Schweden (Freitag, 15.15 Uhr), den WM-Neunten Slowenien (Samstag, 15.35 Uhr) sowie Außenseiter Algerien (Sonntag, 15.45 Uhr) aber mindestens Platz zwei her. Immerhin hat Bundestrainer Alfred Gislason mit Ausnahme des verletzten Berliners Paul Drux nun wieder die besten Handballer des Landes zur Verfügung und zudem fast eine ganze Woche Zeit, die wichtigsten Automatismen einzustudieren. »Ich bin sehr zufrieden. Alle sind sehr fokussiert und in den letzten Tagen zusammengewachsen«, bilanzierte der Isländer am Donnerstag die Trainingswoche. »Die Rückkehrer verstärken die Mannschaft enorm. Alle wissen, wie schwer die Aufgaben sind. Aber alle wissen auch, wie wichtig die Qualifikation ist und was wir dafür machen müssen.«

Im Angriff dürfte viel von Philipp Weber abhängen. Der Leipziger, der im Sommer nach Magdeburg wechseln wird, hat sich als Nachfolger von Martin Strobl auf der Spielmacherposition im Nationalteam etabliert. »Er verbindet zwei Dinge: eine hohe Torgefahr. Und es gelingt ihm, unser Tempo zu steuern. Er reagiert sehr gut auf das Verhalten des Gegners und macht dadurch seine Mitspieler besser«, lobt Co-Trainer Erik Wudtke. Außer Weber kommen mit Steffen Weinhold und Fabian Wiede aber auch Alternativen für den mittleren Rückraum zurück ins Team. »Wir sind jetzt noch weniger ausrechenbar«, prognostiziert Philipp Weber. Der Nachteil bei der WM im Januar, als man viele Ausfälle kompensieren musste, könne jetzt zum Vorteil werden, da die Gegner nicht wüssten, mit welchem Personal und welchen Spielsystemen die Deutschen antreten.

Eines allerdings ist klar: Die Anführer in der Abwehr werden wieder Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek sein. »Das ist der beste Innenblock der Welt«, lobt Weber das Kieler Duo, das im Dezember die Champions League gewonnen hatte, dann aber coronabedingt auf die WM verzichtete. Aus einer besseren Abwehr heraus erhofft sich Bundestrainer Gislason viele Verbesserungen: bessere Quoten der Torhüter, viele Ballgewinne und leichter erzielte Tore im Tempogegenstoß. In all diesen Elementen hatte das Team bei der WM geschwächelt.

Das einzige Puzzleteil, das fehlt, sind die Zuschauer. Bei der Bewerbung um das Qualifikationsturnier hatte der DHB auf 9000 Fans gehofft, die das deutsche Team anfeuern würden. Nun bleibt die Max-Schmeling-Halle leer. Ein Motivationsproblem werde es dennoch nicht geben, sagt Philipp Weber: »Manche können das erste Mal zu Olympia fahren, für andere ist es vielleicht die letzte Chance. Da will also jeder hin.«

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