Einkaufen ohne mulmiges Gefühl

Auch im A10-Center in Brandenburg sind viele Textilläden wieder geöffnet. »Click & Meet« funktioniert – dank geringer Kundschaft

Wie ein Pförtner sitzt die Verkäuferin am Eingang des Textilgeschäfts im A10-Center im brandenburgischen Wildau südlich von Berlin. Nur eine der beiden großen Flügeltüren ist geöffnet, dahinter versperrt der Tisch, an dem die mit FFP2-Maske geschützte Mitarbeiterin sitzt, ein unkontrolliertes Durchschlüpfen. Bei jedem neuen Kunden schaut sie in die Liste mit den Anmeldungen. Wer das Go bekommt, muss sich noch mit Adress-, E-Mail- und Telefondaten eintragen, die Hände desinfizieren, dann kann das Shoppen beginnen.

Mit ihrer neuen Rolle als Einlasskontrolleurin kommt die Verkäuferin, die ihren Namen nicht in der Zeitung genannt haben möchte, nach langen Monaten in Kurzarbeit offenbar gut klar. Bei der Frage, wie es denn so läuft, zeigt sie nur mit der Hand in den großen Laden, in dem sich die wenigen Kunden fast verlieren. Dann geht sie in die Vollen: »Es kann doch nicht sein, dass Aldi die ganze Zeit geöffnet haben durfte und wir nicht«, schimpft sie. »Das versteht doch keiner mehr, was die da oben entscheiden.«

Das Rostocker Pilotprojekt

Das Konzept wurde mit dem Gesundheitsministerium Mecklenburg-Vorpommerns abgestimmt und sieht für alle Stadionbesucher Schnelltests vor. Es gelten Abstandsregeln und eine Maskenpflicht. Ab morgens 7 Uhr werden laut NDR erste Teststraßen am Ostseestadion für Dienstleister geöffnet. Ungefähr 120 Anhänger werden sich zudem ab 9 Uhr in Fanshops testen lassen. Insgesamt werden mehr als 1000 Menschen getestet.

Die Stadiontore öffnen um 12 Uhr, zwei Stunden vor Anpfiff. Die Zuschauer verteilen sich dann laut Plan in größeren Abständen auf der Nord- und Westtribüne. Finanziell rechnet Hansa angesichts des logistischen Aufwands mit einem Minusgeschäft.

Die Sieben-Tage-Inzidenz lag in Rostock am Donnerstag bei 22,9 Infektionen je 100 000 Einwohner. Die im umliegenden Landkreis allerdings bereits bei 74,6. ok

Shoppen im Zeitfenster

Sich an immer neue Gegebenheiten flexibel anzupassen, ist nicht das Problem in der Coronakrise. »Click & Meet« heißt der vor zwei Wochen gestartete erste Schritt zur Wiedereröffnung der Läden jenseits von Supermärkten und Drogerien. Eigentlich ganz einfach: Im Internet oder telefonisch meldet man sich für den Besuch zu einer bestimmten Uhrzeit an, je nach Laden hat man ein Fenster von 30, 45 oder 60 Minuten. Für das Shoppingcenter kann man sich aber nicht anmelden, sondern man muss jedes Geschäft einzeln buchen, was dann doch mühsam und etwas kompliziert zu organisieren ist. Allerdings soll das ja auch so sein, damit aus Infektionsschutzgründen nicht gleich alle Leute in die Läden stürmen. Ohnehin ist die Besucherzahl begrenzt und bemisst sich an der jeweiligen Verkaufsfläche.

In Wildau wird das Maximum selbst am Sonnabend, früher der Hauptshoppingtag, nicht erreicht. Freie Zeitfenster gibt es in einigen Läden auch spontan vor Ort. Ein Gedränge, wie man es im Supermarkt zu Stoßzeiten die ganze Pandemiezeit über erlebt hat, gibt es hier nicht. Das Einkaufszentrum wirkt eher menschenleer, manche Ecken sind recht duster, da geschätzt jeder dritte Laden gar nicht geöffnet hat. Viel Personal bei wenig Kundschaft, das lohnt sich wohl nicht.

Bei den Besuchern ist die Meinung geteilt. »Da kommt gar kein rechtes Feeling auf«, sagt eine Mittvierzigerin ohne Einkaufstüten in der Hand. »Gekauft habe ich bisher nichts.« Ihr Begleiter sieht das anders: »Endlich kann man mal in Ruhe stöbern«, sagt er. »Und wäre es hier voller, hätte ich wegen Corona doch ein mulmiges Gefühl.«
Die Enttäuschung hat wohl noch einen anderen Grund: Als die Textilläden nach dem ersten Lockdown vor einem Jahr öffneten, waren sie voll mit Winterware, die in Massen verramscht wurden. In diesem Jahr sind die Schnäppchen deutlich spärlicher. Die Branche hat sich angepasst, weniger geordert, den Onlineverkauf massiv angekurbelt und zum Teil Restaurants nachgeahmt: Per »Click & Collect« konnte man mancherorts Ware ordern und am geschlossenen Laden abholen.

Umsatzeinbruch trotz Teilöffnung

Die Neuerungen konnten den Einbruch aber nicht ausgleichen. Laut dem Einzelhandelsverband HDE lagen die Wochenumsätze bei Händlern mit »Click & Meet« zuletzt um 25 Prozent unter dem ohnehin schon pandemiebedingt geringen Vorjahresniveau, bei Händlern in der Innenstadt sogar um 30 Prozent. »Die zaghaften Öffnungsperspektiven bieten Händlern keinen Ausweg aus ihrer Existenznot. Sie sind ein Verlustgeschäft«, schimpft HDE-Chef Stefan Genth.

Allerdings ist es fraglich, ob stärkere Lockerungen wirklich die Rückkehr zu früherer Normalität bringen würden. Viele Kunden dürften trotz der Hygienemaßnahmen vor Ort die zusätzlichen Kontakte im Laden lieber meiden. Außerdem ist die Nachfrage nach Kleidung im vergangenen Jahr trotz der Mehrwertsteuersenkung laut Statistischem Bundesamt um etwa fünf Prozent eingebrochen, Onlinehandel eingerechnet. Da man abends nicht ausgehen kann und viele Leute nicht mehr im Büro arbeiten, braucht es eben keine neue Garderobe.

Auch im A10-Center bildet sich an den Kassen nur sporadisch mal eine kurze Schlange. Überhaupt ist es trotz Publikumsverkehr sehr ruhig im Textilladen. Die Stille wird nur von der Musik vom Band übertönt und von Hygienedurchsagen, in denen auf Masketragen und Zwei-Meter-Abstand-Halten hingewiesen wird. Bei diesen wird, eine weitere Neuerung der Coronazeit, auch an die nicht deutschsprachigen Kunden gedacht. Das Ende der Botschaft ist wohl auch ein Wunsch an die eigene Adresse: »We wish you will all stay safe and healthy.«

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