- Politik
- Cannabis-Verkauf
Rausch ist unerwünscht
Bundesgerichtshof spricht sich für Cannabis-Verkauf aus - wenn Wirkung des THC ausgeschlossen ist
In Gläsern, Döschen oder Tütchen gibt es an vielen Kiosken Cannabis zu kaufen. Cannabis mit einem hohen Anteil an Cannabidiol (CBD) und einem niedrigen Anteil des berauschenden THC. Sowohl CBD als auch THC werden gesundheitsfördernde Wirkungen zugesprochen. Diese wurden bereits in zahlreichen Studien belegt.
Rund um das rauschfreie CBD hat sich eine wachsende Industrie etabliert, in vielen Städten gibt es Fachgeschäfte, die Hanfprodukte verkaufen. Eines dieser Geschäfte ist die Hanfbar in Braunschweig. Wegen einer unklaren Gesetzeslage kam die Hanfbar jedoch in Konflikt mit der Justiz, 2018 gab es eine Durchsuchung. Der Vorwurf: Handel mit Betäubungsmitteln. Im Januar 2020 wurden die Betreiber des Geschäfts vom Landgericht Braunschweig zu einer mehrmonatigen Bewährungsstrafe verurteilt. Zufriedengeben wollten sie sich damit nicht und legten Widerspruch ein. Am Mittwoch hat der Bundesgerichtshof über den Fall entschieden.
Im Wesentlichen bestätigte der Bundesgerichtshof das Urteil des Braunschweiger Landgerichts. Das Landgericht habe »im Ergebnis zu Recht angenommen, der von den Angeklagten verkaufte Hanftee sei ein Betäubungsmittel«. Die Hanfbar-Betreiber seien auch keinem »Verbotsirrtum« unterlegen, da sie nach der ersten Durchsuchung und Beschlagnahmung weiter mit CBD-Produkten gehandelt haben. Trotzdem hob der Bundesgerichtshof das Braunschweiger Urteil auf und lässt den Fall dort noch einmal neu verhandeln.
Besonders interessant an der Entscheidung des Bundesgerichtshofs ist allerdings ein anderer Absatz. Bisher dürfen Cannabis-Produkte aus Nutzhanf, zu denen CBD-Blüten und Hanf-Tees zählen, nur zu wissenschaftlichen und gewerblichen Zwecken verkauft werden. Nicht aber an Endverbraucher. Das sieht der Bundesgerichtshof anders. Der Verkauf an »Endabnehmer zu Konsumzwecken« müsse nicht verboten sein - jedoch müsse ausgeschlossen werden, dass »Cannabisprodukte zur Berauschung« genutzt werden können.
Für Marcel Kaine, einen der Hanfbar-Betreiber, ist die Entscheidung des Bundesgerichtshofs ein »Riesenschritt in die richtige Richtung«, wie er gegenüber dem »nd« erklärt. Kaine glaubt, dass in Zukunft »keine Produzenten, Händler oder Kunden wegen THC-armen Hanfprodukten strafrechtlich verfolgt« werden. Der Handel mit Hanfblüten sei erlaubt, solange ein Rausch ausgeschlossen werden kann. Kaine erzählt, in anderen Verfahren hätten die Hanfbar-Betreiber schon nachweisen können, dass »Hanfblüten als Tee und in Joints geraucht keinen Rausch bewirken« können. Fraglich sei noch, wie CBD-Produkte in Backwaren bewertet werden. Auch der Bundesgerichtshof holte hierzu ein Gutachten ein, wonach zumindest theoretisch eine Rauschwirkung besteht. Marcel Kaine sieht dafür keine »wirklich praxisnahen Beweise«. Bis der Fall Hanfbar wieder vor dem Landgericht verhandelt wird, wollen Kaine und sein Mitbetreiber Studien und Gutachten zu der Thematik in Auftrag geben und sammeln.
Auch der Branchenverband Cannabiswirtschaft sieht die Entscheidung des Bundesgerichtshofs positiv. »Das Urteil ist nun ein Schritt in die richtige Richtung. Um die vielseitigen Potenziale der Hanfpflanze besser nutzen zu können, werden wir als Verband noch aktiver auf die Politik zugehen, damit es zukünftig möglichst gar nicht erst zu solchen Gerichtsprozessen kommen muss«, erklärt der Vizepräsident des Verbandes Marijn Roersch van der Hoogte. Für den Verband ergeben sich aus der Entscheidung eindeutige Konsequenzen, die von der Politik gezogen werden müssten. Geschäftsführer Jürgen Neumeyer fordert, dass »Nutzhanf und seine Produkte aus den Fängen des Betäubungsmittelgesetzes« befreit werden müssen. Das Gesetz sorge für zahlreiche Unwägbarkeiten, die es erschwerten, »die vielen positiven Potenziale des Hanfes« in Deutschland zu nutzen. In Österreich, der Schweiz und den USA sei man Deutschland »um Jahre voraus«, so Neumeyer.
Dass der Handel mit CBD-Produkten noch immer unter einer Kriminalisierung leidet, bewies am Donnerstag das hessische Landeskriminalamt. Die Staatsanwaltschaft Darmstadt und die »Gemeinsame Ermittlungsgruppe Rauschgift« führten Durchsuchungen in 17 Objekten durch, die mit CBD in Zusammenhang stehen. Sieben Durchsuchungen gab es in CBD-Geschäften. Bei den Maßnahmen wurden Öle, Blütenmischungen und Tees im zweistelligen Kilobereich als Beweismittel sichergestellt. Festgenommen wurden die sechs Beschuldigten bei der Durchsuchung nicht.
Der Handel mit Hanfprodukten in Deutschland bleibt also weiterhin ein Glücksspiel in einer rechtlichen Grauzone. Während in manchen Städten ein Geschäft nach dem anderen eröffnet wird, sehen sich die Betreiber von CBD-Läden an anderen Orten Durchsuchungen und Strafverfahren ausgesetzt. Die FDP im Bundestag hat die Bundesregierung kürzlich aufgefordert, Cannabis, auch THC-haltiges, zu legalisieren. Die Liberalen versprechen sich hohe Steuereinnahmen.
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.