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Covid-19 schwächt die WHO
Die Weltgesundheitsorganisation legte in der Pandemie einen starken Start hin. Längst wird sie von den mächtigsten Staaten ausgebremst
Zum Weltgesundheitstag äußert António Guterres einen frommen Wunsch: »Wir müssen politisch und bei der Verteilung der Ressourcen so handeln, dass alle Menschen gleichermaßen Gesundheit genießen können.« Der UN-Generalsekretär verweist auf das Ziel einer global gerechten Gesundheitsversorgung bis 2030. Tatsächlich aber nimmt die Ungerechtigkeit zu. Kaum etwas zeigt das so deutlich wie die Schwäche der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Jahr zwei der Sars-CoV-2-Pandemie.
Dabei hatte die WHO zu Beginn eine überwiegend gute Figur abgegeben: Ihr äthiopischer Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus übernahm mit seinen Auftritten die Deutungshoheit bei vielen medizinischen Fragen. Experten koordinierten über die WHO die Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten. Vor allem aber rief die UN-Organisation schon vor fast einem Jahr die Covax-Initiative ins Leben, die einen globalen Zugang zu Covid-19-Impfstoffen versprach. Weltweit wären demnach zunächst diejenigen geimpft worden, die dies am nötigsten brauchen. So wäre der Impfschutz global gleichmäßig gestiegen. Der Plan schlug fehl. Reiche Staaten, auch Deutschland, schlossen bilaterale Verträge mit der Pharmaindustrie, um sich einen größeren Anteil zu sichern.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Übrig blieb der Teil von Covax, der Impfstoffe für die mehr als 90 ärmsten Länder der Welt ankaufen soll. Das dafür nötige Geld fehlt allerdings ebenso wie der Impfstoff. »Die Schere zwischen der Anzahl an Impfungen in reichen und denen in armen Staaten wächst täglich und nimmt immer groteskere Ausmaße an«, ärgert sich Tedros. »Länder, die jetzt jüngere, gesunde Menschen impfen, deren Krankheitsrisiko gering ist, tun das auf Kosten von Menschenleben der Ärzte, der Alten und von Risikogruppen in anderen Ländern.« Ende März hatte in Israel rechnerisch jeder Bürger zumindest die erste Impfung erhalten, in den Vereinigten Arabischen Emiraten drei von vier, in den USA mehr als jeder Dritte. In Indien war es dagegen jeder Dreißigste, in Südafrika einer von 300, in Uganda einer von 3000. Tedros warnt reiche Länder mit hohen Impfquoten vor trügerischer Sicherheit. »Wenn anderswo auf der Welt die Übertragungen weitergehen, nimmt die Zahl der Mutationen zu.«
Es sind dramatische Appelle, doch letztlich nur Appelle. Um mehr Impfungen in armen Ländern zu ermöglichen, muss die WHO betteln gehen, denn »praktisch der gesamte Vorrat an Covid-Impfstoffen wird von einigen wenigen Ländern kontrolliert und gehalten«, wie WHO-Experte Bruce Aylward erklärt.
Das ließe sich ändern, wie Gabriela Hertig von der Schweizer Menschenrechtsorganisation Public Eye betont: Wissen und Patente müssten geteilt werden, damit mehr Hersteller die benötigten Impfstoffmengen produzieren können. Auch dafür hat die WHO - zeitgleich mit Covax - ein Programm entworfen: Über den Covid-19-Technologie-Zugangspool, kurz C-TAP, sollte intellektuelles Eigentum zur Bekämpfung der Pandemie frei verfügbar gemacht werden. Doch C-TAP ist noch erfolgloser als Covax, beklagt Hertig. »Von Anfang an haben Pharmakonzerne und die reichen Länder, die ihre Pharmaindustrie schützen, den Fokus auf Covax gelenkt: Denn Covax tastet das aktuelle Business-Modell nicht an.« Auch die WHO propagierte Covax, wohl auch wegen der maßgeblich an Covax beteiligten Impfallianz GAVI, die Patente unangetastet wissen will. Neben der Bill- und Melinda-Gates-Stiftung ist bei GAVI auch die Pharmaindustrie vertreten. Und die WHO, deren Jahresetat dem des Universitätsspitals von Genf entspricht, muss sich finanziell mit allen gut stellen.
Zwar ist mit der angekündigten Rückkehr des wichtigsten Beitragszahlers USA ein drohender Finanzkollaps der WHO verhindert worden. Doch auch die Regierung von Präsident Joseph Biden schaut argwöhnisch auf das mehrfach als zu eng kritisierte Verhältnis zwischen China und der WHO-Führung. Der vergangene Woche vorgelegte Untersuchungsbericht zum weltweit ersten Corona-Ausbruch in Wuhan, der weitere Untersuchungen fordert und einen Laborunfall ausschließt, trug Pekings Handschrift. Kein Wunder: Der Bericht wurde gemeinsam von 17 internationalen Experten und 17 Vertretern Chinas verfasst. Eine unabhängige Untersuchung war der WHO verwehrt worden.
Wie machtlos die UN-Organisation ist, zeigt auch der gemeinsam Vorstoß von WHO-Chef Tedros und EU-Ratspräsident Charles Michel: Sie fordern eine internationale Konvention, die Prävention und Bekämpfung der nächsten Pandemie verbessern soll. Konkret würde das jahrelange Verhandlungen mit ungewissem Ausgang bedeuten. Eines wird in dem Aufruf, den auch Bundeskanzlerin Angela Merkel unterzeichnet hat, aber bereits ausgeschlossen: dass die WHO diese Aufgabe alleine meistern kann.
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