Wenn viel allein nicht viel hilft

Die Bioökonomie kann nur dann einen Beitrag zur Lösung der Umweltprobleme leisten, wenn der Ressourcenverbrauch insgesamt deutlich verringert wird, meint Olaf Bandt.

  • Olaf Bandt
  • Lesedauer: 3 Min.

Auf der Suche nach Wegen zu einem nachhaltigen Umbau der Wirtschaft wird oft die Bioökonomie als Hoffnungsträger gepriesen. Die Grundidee klingt verführerisch und im Grunde plausibel: Klimaschädliche fossile Rohstoffe sollen durch nachwachsende Biomasse ersetzt, unser Wirtschaften soll damit klimafreundlich werden. Doch allein durch nachwachsende Rohstoffe wird unser Wirtschaftssystem nicht zukunftsfähig.

Einerseits bestehen zu viele Produkte des täglichen Gebrauchs aus fossilen Rohstoffen wie Kohle, Gas und Öl: vom Autoreifen bis zur Plastikverpackung, von der Kleidung bis zum Treibstoff. Das alles nur durch nachwachsende Rohstoffe auszugleichen ist unmöglich. Hinzu kommt, dass Rohstoffe nicht schon dadurch nachhaltig werden, dass sie nachwachsen. Ganz im Gegenteil: Palmölplantagen in Südostasien oder Gentechnik-Monokulturen in Südamerika zeigen die negativen Folgen für Natur und Landschaft, wenn Biomasse in agrarindustriellen Größenordnungen angebaut wird. In kleinerem Maßstab verdeutlichen das auch die als Biogas-Wüsten bezeichneten riesigen Maisfelder in Niederbayern oder Brandenburg.

Es geht anders, doch dafür muss der Ressourcenverbrauch drastisch reduziert werden. Wenn wir die Natur konsequent schützen und dem Anbau von gesunden Lebensmitteln für alle den Vorrang geben, dann können gerade einmal circa zehn Prozent der jetzigen fossilen Produktion durch Biomasse ersetzt werden. Dass fossile Rohstoffe zukünftig im Boden bleiben müssen, wenn wir die Klimakrise aufhalten wollen, ist klar. Auf die Frage, wie wir die nicht nachhaltig ersetzbaren 90 Prozent der fossilen Produktion vermeiden können, liefert die Bioökonomiedebatte bisher jedoch keine Antworten. Zu oft wird stattdessen auf Scheinlösungen ausgewichen, wird Biomasse importiert, werden Anbauprobleme verlager. Oder man setzt in der Hoffnung auf Ertragssteigerungen auf Gentechnik - mit der Folge, dass Konzerne durch Patente immer mächtiger werden und der Verlust der Artenvielfalt in Kauf genommen wird.

Ein Beispiel: Momentan werden etwa 60 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland für die Fleischproduktion in Anspruch genommen. Auf nur zwei Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche werden Industriepflanzen angebaut - also Pflanzen, die einer stofflichen Verwertung zugeführt werden und damit für die Herstellung von Chemikalien, Dämmstoffen, Farben, Kunststoffen oder Textilien genutzt werden können. Eine auch von der Bundesregierung immer wieder propagierte Idee ist, Autoreifen statt aus Öl und Erdgas mit Kautschuk aus in Deutschland angebautem russischen Löwenzahn herzustellen. Dafür allein bräuchte es jedoch schon 14 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland. Eine Ausweitung der Bioökonomie würde also die Konkurrenz um die verfügbaren Flächen verschärfen. Wollten wir wirklich Autoreifen aus Löwenzahn produzieren, müsste dafür nicht nur der Verbrauch von Autoreifen, sondern auch der Fleischkonsum deutlich gesenkt werden - denn nur dann wäre überhaupt nennenswert Biomasse für Industrieprodukte vorhanden. Solange die Frage um Flächenkonkurrenz in der Bioökonomie-Debatte jedoch keine ausreichende Rolle spielt, zeigt das Beispiel Autoreifen: Bei bioökonomischen »Lösungen« droht eine Verschärfung des Nutzungsdrucks auf Land und Biodiversität.

Aus meiner Sicht müssen wir grundsätzlich die Erzählung anzweifeln, Bioökonomie sei die angebliche Garantin des »Grünen Wachstums«, also eines Wirtschaftswachstums bei gleichzeitig sinkender Umweltzerstörung. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung ist es vielmehr notwendig, Wachstum als primäres wirtschaftspolitisches Ziel infrage zu stellen. Sonst droht das weitere Überschreiten der planetaren Grenzen - nicht trotz, sondern aufgrund der Bioökonomie. Die Bundesregierung muss sich ein ambitioniertes und verbindliches absolutes Reduktionsziel im Ressourcenverbrauch setzen. Daran muss sich auch die Bioökonomie messen lassen. Nur wenn deutlich weniger Ressourcen verbraucht werden, kann es gelingen, unser Wirtschaftssystem klimafreundlich umzubauen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -